Judastöchter
wissen. Sie stieg in den Wagen, fuhr los und suchte sich eine Tankstelle mit einem angeschlossenen Mobilfunkladen.
Boída hielt an, verließ den Mini und ging direkt durch das Geschäft bis an den Tresen. »Hallo.« Sie legte das Handy vor den Tankwart. »Es funktioniert nicht mehr.«
»Und was ist kaputt?«
»Sie sind doch der Fachmann«, sagte sie lächelnd. »Steht da draußen.«
»Na ja. Ich schaue mal.« Der Mann im nach Benzol stinkenden, grauen Overall schaltete das Handy ein, drückte auf den Tasten herum und machte ein verwundertes Gesicht. »Schöner Scheiß.«
Dann folgte das, was Boída ebenfalls schon versucht hatte: Akku rein und raus, Reset, einen anderen Akku einlegen, Chipkarte tauschen. Schließlich verband er es sogar per Kabel mit einem Computer, um die Fehlerquelle auszulesen. Früher musste der Mann ein Faultier gewesen sein. Jeder Handgriff besaß zeitlupenhafte Geschwindigkeit.
»Nee«, sagte er schließlich gedehnt und löste die Verbindung, gab ihr das Telefon zurück. »Das ist hinüber.«
»Was
genau
ist hinüber?« Boída fiel es schwer, geduldig zu bleiben.
»Alles. Das Diagnosegerät des Herstellers kann nicht mal zugreifen. Da sind vermutlich die Platinen durchgeschmurgelt.«
»Auch der Memorychip?«
»Nicht mehr lesbar«, sagte der Mann. »Sind Sie an einem starken Elektromagneten vorbeigegangen?«
Boída hatte nichts davon mitbekommen. »Das Handy ist also echt hinüber.«
»Ja. Total.« Beflissen reichte er ihr ein eingeschweißtes Prepaid-Telefon. »Nehmen Sie so eins.«
»Haben Sie auch Wärmepflaster?« Sie kaufte das Handy, damit sie von unterwegs sprechen konnte, und ärgerte sich, weil sie viele wichtige Nummern und Bilder verloren hatte. Diesen Verlust würde Righley auch zu spüren bekommen. »Große, bitte.«
Der Tankwart zeigte zum Ständer mit dem Verbandszeug.
* * *
3. Februar, Deutschland,
Sachsen, Leipzig, 05.41 Uhr
Wenn ich noch einen keltischen Knoten sehe, schreie ich.
Sia wurde immer unruhiger, ihre Augen fühlten sich müde an.
Sie hatte sich zwei Stunden lang Bilder mit verschlungen-keltischen Mustern angeschaut und konnte bald keine Unterschiede mehr erkennen; das Internet bot einfach zu viele Möglichkeiten: einfache Variante, dreieckige, kreisförmige, labyrinthhafte, dazu noch die germanischen und nordischen Varianten. Es mischte sich zu einem undurchschaubaren Ornamentdickicht, durch das sich der Verstand schlagen musste.
Der Gordische Knoten war sicher Scheißdreck dagegen.
Sia nahm einen Schluck vom kalten Kaffee. »Ich brauche eine Pause.« Sie stand auf und streckte sich. »Ich gehe und vertrete mir die Beine.«
Eric saß vor seinem Computer und schien sie nicht zu beachten. Er machte einen wesentlich fitteren Eindruck als sie.
Ist er doch ein Vampir?
Sie verließ das überdimensionierte Büro und öffnete die Eingangstür, warf sie laut hörbar ins Schloss.
Sia hatte nicht vor, durch die Gegend zu laufen, sondern sich ein wenig bei ihrem Verbündeten umzuschauen. Ihr erster Versuch mit dem Blick in die Spinde war gescheitert. Aber auf vier Stockwerken gab es höchstwahrscheinlich einiges zu entdecken, was ihr half, den Mann besser einzuschätzen.
Lautlos huschte sie die Treppe hinauf und durch die verschiedenen Räume des ersten Stocks. Dessen Zuschnitt stammte noch aus einer Zeit, als man den Menschen Platz gelassen hatte, sich in einem Haus zu bewegen. Hoch und weit breiteten sie sich aus.
Eines war sicher: Eric legte keinen Wert auf Gemütlichkeit. Weder im Bad noch im Schlafzimmer fand sie Einrichtung vor, die in irgendeiner Weise teuer gewesen war: ein Feldbett, viele Plastikregale, billigste Möbel und nur das Notwendigste. Die Küche sah aus wie eine fertige Zeile aus dem Ramsch für weniger als tausend Euro.
Sich ein Haus zulegen, einen getunten X
6
fahren, und dann das.
Sia versuchte einzuschätzen, was ihre Entdeckung bedeutete. Seiner Ortskenntnis nach hielt er sich schon länger in Leipzig auf. Entweder seine echten Möbel hatten eine lange Lieferzeit, oder es war ihm egal, auf was er lag und schlief oder wo er überhaupt seine freie Zeit verbrachte. Anscheinend lebte er ganz für die Jagd auf Wandelwesen.
Er hat nicht einmal einen Fernseher.
Sia setzte ihre kleine Reise durch das Haus fort und betrat das zweite Stockwerk. Die Zimmer hier standen leer, es gab keinerlei Einrichtung. Es war gefegt, die Böden neu gemacht und die Wände gestrichen.
Platz genug für eine ganze Familie auf jeder Etage.
Der gleiche
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