Judaswiege: Thriller
Parkplatz, Unkraut wuchs aus den Betonfugen. Vielleicht auch nur festgefahrener Lehm? Ein Mann stieg aus dem Auto, aus einem dunkelblauen Bus mit getönten Scheiben. Er war hager und kantig, seine Bewegungen wirkten kontrolliert und präzise. Ein Handwerker. Vielleicht. Der Mann stieg wieder in das Auto und manövrierte es in die Garage. Es war stockdunkel, als er die Tür mit einem lauten Rasseln hinunterzog. Erst dann schaltete er das Licht ein. Er öffnete die Tür zu seinem Van, dort lagen mehrere Matratzen übereinandergestapelt. Er hievte eine nach der anderen aus dem Auto und stapelte sie an der unverputzten Wand. Sams Gedanken flackerten, er sah die Mädchen. Jessica von Bingen. Nein, die war ein Sonderfall. Aber Tina, aus Louisiana. Und Tammy aus Chicago. Und Theresa. Die Orte wurden zu einer Karte, der Maßstab der Karte wurde kleiner, er zog … nein, er roch frischen Kaffee. Gerade erst gebrüht, sehr heiß und mit einer Spur Muskat.
Langsam öffnete Sam die Augen. Klara stand neben ihm, den dampfenden Becher in der Hand. Daher also der Geruch, schloss Sam.
»Wie lange stehst du schon da?«, fragte er irritiert.
»Fünf Minuten«, bekannte Klara. »Aber ich erinnere mich noch daran, dass es besser ist, dich bei deinen seltsamen Kopfübungen nicht zu stören, Sam. Langsam gewöhnen wir uns wieder aneinander, was?«
Sam nahm ihr dankbar den Becher aus der Hand und atmete den heißen Kaffeedampf ein. Es hatte fast den Anschein. Und dass selbst Klara das mittlerweile einsah, musste doch als gutes Omen gewertet werden, oder nicht?
»Danke für den Kaffee. Mit Muskat und ohne Milch. Es scheint tatsächlich ein wenig wie in alten Zeiten«, lachte Sam hoffnungsvoller, als es ihm zustand, und bekam gleich darauf von Klara einen Dämpfer verpasst, den er sich aber selbst zuschrieb.
»Keine Eile, Sam. Und? Hat dein Nachdenken etwas gebracht?«
»Ich weiß noch nicht genau. Warten wir es ab, du weißt ja, dass es nicht unbedingt die linearste Art zu denken ist.«
Bevor Klara etwas erwidern konnte, stürmte Wesley in den Besprechungsraum, wie immer mit einem weiteren Laptop unter dem Arm, obwohl sie sich hier drinnen nun wirklich nicht über zu wenig Rechenleistung beklagen konnten. Kurz darauf erschienen auch Anne und Bennet, der reichlich abgekämpft aussah. Wenn wir nach den Ringen unter unseren Augen gehen, müssten wir ihn bald haben, dachte Sam verbittert, denn er wusste genau, dass dies nicht im Mindesten ihrer Spurenlage entsprach.
Er war weg. Alle Straßensperren hatten nichts genützt, der Fisch war entkommen. Und seine Beute mit ihm. Die Polizei hatte bis hinauf in die entlegenen Countys Hunderte Fahrzeuge kontrolliert, aber nichts gefunden. Zweimal hatten die Beamten ihre Schusswaffen gezogen, aber in einem Fall war es nur ein verwirrter Jugendlicher gewesen, der außer einer teuren Kamera ohne Beleg nichts Auffälliges in seinem Auto hatte, und ein anderes Mal hatte ein bärtiges Raubein wohl etwas überreagiert, als er von der Staatsmacht zum Anhalten gezwungen worden war. In beiden Fällen hatten die Typen sich als harmlose Spinner entpuppt, und sie hatten sie ziehen lassen müssen. Von Tammy fehlte weiter jede Spur.
Vier Stunden später waren die Ringe unter ihren Augen nicht heller geworden, und die Truppe versammelte sich um die Sandwiches, die ihnen die fürsorgliche Anne besorgt hatte. Bennet biss gierig in ein Tomate-Thunfisch-Ciabatta, ohne seinen Bericht der Spurensicherung von Tammys Wagen zu unterbrechen.
»Die Bombe ist ein Internetnachbau. Einfach, aber effektiv, dieselbe Konstruktion wie bei den anderen.« Er schob sich mit den Fingern ein großes Tomatenstück in den Mund, das seinem Schlingen erbitterten Widerstand geleistet hatte.
Sam konzentrierte sich auf den Lachs-Frischkäse-Bagel, der vor ihm auf einem Teller lag. Natürlich war es dieselbe Bauart, schließlich war ihr Typ kein Genie, bisher hatte er alle technischen Kenntnisse aus dem Netz. Vielleicht war er geschickt, aber eine Bombe zu konstruieren, die sie auf seine Spur führte, traute er ihm wirklich nicht zu. Leider. Und natürlich würden sie keine Fingerabdrücke finden, dafür war er zu vorsichtig.
»Fingerabdrücke?«, fragte Sam zwischen zwei Bissen der Vollständigkeit halber.
»Nein«, erwiderte Bennet, über den Bericht gebeugt. »Aber …«, er schluckte einen Bissen hinunter und legte das Sandwich mit der Tüte auf einen Aktenstapel. Sam horchte auf. Wenn Bennet das Sandwich ablegte, gab es etwas
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