Judaswiege: Thriller
nicht. Aber er spürte, dass ein Neuanfang auf ihn wartete. Gedankenverloren hackte er einen Rosmarinzweig klein und gab ihn mit etwas Butter zu dem schlechten Steak in die Pfanne. Wir können ja wenigstens versuchen, das Beste daraus zu machen, oder nicht, Nina?
Mit einem Löffel goss er schäumende Butter über das Fleisch und testete mit dem Finger den Garpunkt. In zehn Sekunden ist es medium, vermerkte Adrian. Es jetzt rauszunehmen, wäre besser, aber er wusste, dass es ihm die Könige der Löwen postwendend zurückschicken würden. Schauen wir einfach, was kommt, nahm sich Adrian vor und legte das Steak auf das vorbereitete Nudelbett. Bon Appétit. Er drückte die Klingel, die der Kellnerin signalisieren würde, dass ein Gericht fertig war, und schnappte sich den Zettel mit der nächsten Bestellung. Tisch fünf wollte zweimal Huhn. Adrian wischte sich den Schweiß von der Stirn und stellte eine neue Pfanne auf den Herd, als sein Handy klingelte. Sollten sie eine Nachricht hinterlassen, er würde später zurückrufen. Das Hühnchen ging vor.
Nach dem Ende seiner Schicht saß Adrian auf der Treppe hinter dem Restaurant neben den Mülltonnen und hörte seine Mailbox ab. Es war Pia mit der Nachricht, dass Klara Swell ab jetzt mit dem FBI zusammenarbeiten würde. Er müsse nicht zurückrufen, aber wenn er wolle, könne er sie jederzeit erreichen. Natürlich wollte er. Aber dafür war es noch zu früh. Es ist ein Fehler, Frauen nicht zurückzurufen, aber zu schnell war wiederum auch nicht besonders clever. So viel Instinkt hatte sich Adrian auch durch seine Trauerjahre hindurch erhalten. Er verabschiedete sich von seinen Kollegen in der Küche und ging durchs Restaurant, um sich auf dem Weg noch seinen Lohn von Nina abzuholen. Achtzig Dollar für sechs Stunden Schwerstarbeit, das war nun wirklich nicht gerade viel. Vor allem sicher nicht genug für eine Frau wie Pia. Vielleicht sollte er sich doch wieder nach einer anständigen Arbeit umsehen.
Der Gedanke verfolgte ihn bis in die U-Bahn. Normalerweise las er auf der Fahrt nach Hause ein Buch, aber nachdem er auf die zweite Seite umblätterte, musste er feststellen, dass er das soeben Gelesene schon wieder vergessen hatte. Adrian klappte das Buch zu und dachte an Pia. Ob sie Lust hätte, mit ihm zu Abend zu essen? Normalerweise war es nach den strengen New Yorker Dating-Richtlinien verpönt, Frauen so schnell zu sich nach Hause einzuladen, aber er hatte das Gefühl, dass er es bei Pia riskieren konnte.
Adrian hatte recht behalten. Pia hatte ohne zu zögern Ja gesagt, als er sie am Telefon mit dem Vorschlag konfrontierte. Jetzt tänzelte er beschwingt durch seine kleine Küche und bereitete das Festmahl zu, für das er seinen gesamten Tageslohn geopfert hatte: glasierte Kurzrippe vom Rind mit Chilispitzkohl und Kartoffelstampf. Die Rippchen simmerten schon im Topf bei achtzig Grad, er hatte glücklicherweise noch zwei Stunden Zeit, Pia wollte um halb neun bei ihm sein. Besser wäre es gewesen, sie vorher zwei Tage in Rotwein einzulegen, aber die Dinge sind nun einmal, wie sie sind, dachte Adrian und schnitt den Spitzkohl in feine Streifen. Die Kartoffeln hatte er bereits geschält und in kaltem Wasser zur Seite gestellt. Er würde sie nachher nur noch kochen und mit etwas Milch und Muskatnuss würzen. Die braune Butter, die er außerdem noch benötigte, stand schon auf dem Herd und nahm langsam Farbe an. Das Ergebnis war ein wunderbar nussiges Aroma, das bei keinem Kartoffelpüree fehlen durfte, fand Adrian. Er schaute auf die Uhr, er lag gut in der Zeit. Nachdem er die Butter mit einem Kaffeefilter geklärt hatte, sprang er unter die Dusche. Während er sich rasierte, dachte er noch einmal an Jessica. Die gemeinsamen Abendessen waren ein Fixpunkt ihrer Beziehung gewesen. Sie redeten stundenlang über Geschichte, Literatur, den Weltfrieden, oder wie sie es schaffen konnten, eine zweite Küche am anderen Ende der Stadt aufzumachen. Sie hatten viel zusammen gelacht. Betrog er seine Frau? Dazu würden ja zunächst einmal zwei gehören, bemerkte Adrian, als er sich das Hemd zuknöpfte.
Er wählte seine beste Jeans, braune Schuhe und einen braunen Gürtel. Frauen achteten auf so etwas. Viertel vor acht. Noch einmal prüfte er die Temperatur des Fleischs, das keinesfalls kochen durfte, außer einmal am Anfang, wenn man es in den Topf gab. Dann rührte er eine Marinade aus Honig, Olivenöl, ein wenig Sojasauce und Knoblauch an, mit der er später das Fleisch unter dem
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