Judaswiege: Thriller
Eignungstest bei den Marines zu bestehen. Klara holte ihn in dem Moment ein, als sie den schnaufenden Clarence passierten, der es mittlerweile auch bis zum Gebäude geschafft hatte. Clarence nickte ihr zu, was Sam dazu veranlasste, eine Augenbraue nach oben zu ziehen, als ob er sie fragen wollte, was sie denn mit dem zu schaffen hatte.
»Er hat mich auf dem Parkplatz abgepasst, nichts weiter. Egal. Wieso ziehen wir um, Sam? Was war falsch an unserem alten Büro?«
»Ich habe etwas Besseres gefunden«, klärte sie ihr Partner auf. »Sie nennen es ›Flexible Tank‹, und im Moment kriegen wir wirklich alles, was wir uns in den Kopf gesetzt haben. Ich hatte mich nur bei der Abteilung erkundigt, und schwupp, hatte ich die Genehmigung auf dem Tisch. Irgendjemand sehr weit oben nimmt unseren Fall sehr, sehr ernst. Du hast nicht zufällig eine Ahnung, wer das sein könnte, Sissi?«
Klara ignorierte seine Frage: »In was für ein Ding sollen wir da ziehen? In einen Tank?«
»Nicht im wörtlichen Sinne, aber von der Idee her stimmt es schon. Wir kriegen einen Raum, den wir speziell für unsere Anforderungen umgestalten können, in einer der gesicherten Lagerhallen im Village.«
Unter dem »Village« verstand der FBI-Jargon eine fiktive Kleinstadt auf dem riesigen Gelände in Quantico. Dort übten SWAT-Teams Zugriffe bei Geiselnahmen, FBI-Anwärter Personenverfolgung und Informationsbeschaffung – alles unter realistischen Bedingungen, aber ohne die lästigen Zivilisten. Es handelte sich um ein Potemkinsches Dorf, das von der Außenwelt abgeschirmt inmitten der riesigen Waldgebiete Virginias lag. Zu ihren aktiven Zeiten hatte Klara dort selbst Kurse im Beschatten geleitet, sie hatte das mehrere Hektar umfassende Areal seit Jahren nicht mehr betreten, und ihres Wissens nach hatte dort noch nie eine operative Einheit gearbeitet.
»Sie geben uns ein Büro im Village?«, fragte sie ungläubig.
»Jep. Die Experimentierhalle des Forschungsteams. Und sie haben versprochen, uns in Ruhe zu lassen.« Sie hatten eine Wagenkolonne aus vier dunklen Geländewagen des FBI-Standard-Modells erreicht, und Sam gab ihnen mit ungeduldigen Gesten zu verstehen, endlich einzusteigen.
Fünfzehn Minuten später erreichten sie eine unscheinbare Lagerhalle am Stadtrand des Village, einzig die große Anzahl an Lieferwagen vor der Tür deutete an, dass im Inneren bereits an Sams Vorstellung von der perfekten Einsatzzentrale gearbeitet wurde. Sam genoss die Vorfreude, ihnen ihr neues Büro zu zeigen, und sprang aus dem Wagen, noch bevor er ausgerollt war. Die anderen folgten ihm als Gruppe in einigem Abstand und gaben sich abwartend, während Sam sie bereits voller Enthusiasmus im Inneren der riesigen Lagerhalle erwartete, in deren Mitte ein achteckiges Objekt stand, das ein wenig wie ein Miniatur-Pentagon aussah, nur mit drei Ecken zu viel.
»Voilà«, sagte Sam und deutete auf das Pseudo-Pentagon, genauer gesagt, auf eine unscheinbare Tür an einer der Seiten. Irgendwo auf der Rückseite werkelte ein Mann mit einem Schweißgerät, andere Männer trugen in schwarzen Overalls Kabelrollen zu einem Pick-up-Truck.
»Das soll unser neues Büro sein?«, fragte Wesley ungläubig, und Bennet kratzte sich abwesend den Bauchansatz. Nur Annes Enthusiasmus schien ungetrübt, was eindeutig für ihre Arbeitseinstellung sprach, fand Klara und öffnete die Tür des Achtecks, um einen Blick hineinzuwerfen. Ein riesiger runder Tisch stand in der Mitte des weiß getünchten Raumes. Wie die Lagerhalle Gottes in diesem saudämlichen Film mit Morgan Freeman, dachte Swell. Die Wände schienen aus irgendeinem Hightechmaterial zu bestehen, wie rückseitig beleuchtetes Glas. Waren das Bildschirme?
»Kommt rein, es beißt nicht«, versprach Klara und winkte die anderen herbei. Wesley war der Erste, der neugierig seinen Kopf in das Achteck steckte.
»Cool«, pfiff er durch die Zähne und befühlte die Oberfläche der Wand. »Hochauflösendes Retinadisplay, krass in der Größe.«
Sam, der seinem Team inzwischen gefolgt war, antwortete: »Ja, sie haben uns wirklich alles gegeben, was wir wollten. Und einiges darüber hinaus, was mir nicht einmal in den Sinn gekommen wäre.« Er warf einen Seitenblick zu Klara, als ob sie wüsste, wer von den hohen Tieren sich derart für ihren Fall interessierte. Es war Sams zweite Unterstellung dieser Art, sie würde bei Gelegenheit ein Wörtchen mit ihm reden müssen.
Anne fackelte nicht lange und breitete den Inhalt ihres Kartons
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