Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
Vom Netzwerk:
Gesichtsausdruck
zusammengezogen, der irgend jemandem in seinen Träumen nichts Gutes verhieß.
Der feine weiße Stoff seines Hemdes spannte sich über breiten Schultern und muskulösen
Armen. Gekräuseltes dunkles Haar lugte aus dem offenen Kragen und bedeckte
leicht seine Unterarme. Der ganze Mann bestand aus Ecken und Kanten, von seiner
fein modellierten Nase bis hin zu seinem energischen Kinn und den langen
Fingern. Er sah unnachgiebig und kompromißlos aus, fand sie.
    Und er sah gut aus.
    Lieber Himmel, er sah
unwahrscheinlich gut aus.
    Zögernd löste sie den Blick von
seinem Gesicht und musterte zum ersten Mal ihre Umgebung. Ihre Augen weiteten
sich erstaunt und ungläubig, als sie die prachtvolle Einrichtung des
grüngoldenen Raums wahrnahm. Blasse, apfelgrüne Seide bedeckte Wände und
Fenster und fiel in üppigen Falten vom Betthimmel herunter, zusammengehalten
von glänzenden, goldenen Kordeln mit Quasten. Sogar der riesige Kamin am
anderen Ende des Zimmers war aus grünem Marmor. Messingbeschläge verzierten ihn
prunkvoll, und an all seinen Ecken thronten prächtige goldene Vögel. Vor dem
Kamin standen zwei geschwungene, mit blaßgrüner Seide bezogene Sofas einander
gegenüber und dazwischen ein niedriger, ovaler Tisch.
    Sie richtete ihre Aufmerksamkeit
wieder auf den dunklen Kopf, der neben ihrer Hüfte ruhte, und ihre Stimmung hob
sich ein wenig. Offenbar hatte das Glück sie begünstigt, denn ihr Verlobter war
nicht nur ein äußerst gutaussehender Mann, sondern noch dazu sehr, sehr reich.
Und außerdem hatte er die ganze Nacht bei ihr verbracht, in dieser schrecklich
unbequemen Haltung geschlafen und all die Zeit über ihre Hand nicht
losgelassen. Er mußte sehr verliebt in sie sein.
    Anscheinend hatte er ihr den Hof
gemacht und sie gebeten, ihn zu heiraten. Sie schloß die Augen und versuchte,
sich an ihn oder ihre Vergangenheit zu erinnern, aber in ihr lag nur dunkle
Leere. Eine Frau konnte es doch unmöglich vergessen, daß sie von einem solchen
Mann umworben und geliebt wurde. Sie würde sich gleich daran erinnern, befahl
sie sich streng und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. In Gedanken
spielte sie Sätze durch, die er zu ihr gesagt haben könnte: » Wollen Sie mir
die Ehre erweisen, meine Frau zu werden, Miss ...?« Miss Wer? Miss WER?
    »Bleib ruhig«, warnte Sheridan sich
verzweifelt. »Konzentrier dich auf andere Dinge ... auf liebe Worte, die er
gesagt haben muß.« Sie bemerkte gar nicht, daß sie schneller atmete und seine
Hand so fest packte, daß ihre Nägel sich hineindrückten, sie versuchte nur,
nachzudenken und sich an ihre gemeinsame Zeit zu erinnern. Er hatte sie doch
bestimmt höflich behandelt ... und ihr sicher Blumen gebracht und ihr gesagt,
sie sei klug, charmant und wunderschön. Das mußte sie ja sein, da sie das Herz
eines so außerordentlichen Mannes erobert hatte.
    Sie versuchte, sich etwas Kluges
auszudenken, aber ihr Kopf war leer.
    Sie bemühte sich, einen bezaubernden
Satz zu erfinden, aber ihr Kopf blieb leer. Um ruhig zu bleiben, zwang sie
sich, sich einfach nur ihr Gesicht vorzustellen. Ihr Gesicht ...
    Sie hatte kein Gesicht.
    SIE HATTE KEIN GESICHT!
    Zwar riet ihr ihr Instinkt, die Ruhe
zu bewahren, aber die Panik hatte schon von ihr Besitz ergriffen. Sie konnte
sich nicht an den eigenen Namen erinnern. Sie konnte sich nicht an seinen Namen
erinnern. Sie konnte sich nicht an ihr eigenes Gesicht erinnern.
    Stephen hatte das Gefühl, seine Hand
sei in einen Schraubstock geraten, der ihm das Blut aus den Fingern preßte. Er
versuchte, sich aus dem schmerzhaften Griff zu befreien, aber es gelang ihm
nicht. Nach drei Tagen ohne Schlaf gelang es ihm nur mit übermenschlicher
Anstrengung, seine Augen wenigstens so weit zu öffnen, daß er unter schweren
Lidern auf das blinzeln konnte, was seine Hand quetschte und taub werden ließ.
Statt eines Werkzeugs sah er jedoch eine Frau neben sich liegen. Da diese
Situation allerdings nicht so ungewöhnlich für ihn war, um ihn schlagartig aus
seiner betäubten Starre zu erwecken, drehte er einfach seine Hand, um sie ein
wenig zu befreien und wieder einschlafen zu können. Allerdings hatte man ihm
die Höflichkeit dem anderen Geschlecht gegenüber seit seiner Kindheit eingeschärft,
und da die Frau wirklich panisch aussah, bemühte er sich, kurz bevor seine
Augen wieder zufielen und er endgültig wieder einschlief, eine höfliche Frage
zu formulieren: »Was ist los?«
    Ihre Stimme klang entsetzt. »Ich
weiß nicht, wie

Weitere Kostenlose Bücher