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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
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Erfahrung haben. Anscheinend
kann er nicht nur durch eine Kopfverletzung, sondern auch durch Hysterie
entstehen, und im schlimmsten Fall durch eine Kombination von beidem. Je
verzweifelter sich also Miss Lancaster darum bemüht, ihr Gedächtnis
wiederzuerlangen, desto zorniger, depressiver und hysterischer wird sie
werden, wenn es ihr nicht gelingt. Und je größer ihre Erregung, desto schwerer
wird es ihr fallen, sich an etwas zu erinnern.«
    Befriedigt sah er, wie der jüngere Mann
sorgenvoll die Stirn runzelte. »Wenn sie sich umgekehrt sicher und glücklich
fühlt, besteht die begründete Annahme, daß ihr Gedächtnis sehr viel schneller
zurückkommt. Das heißt, wenn es überhaupt jemals wiederkehrt.«
    Dunkle Brauen zogen sich über alarmiert
blickenden blauen Augen zusammen. »Was meinen Sie damit, wenn es überhaupt
jemals wiederkehrt?«
    »Genau das, was ich sagte. Es gibt
Fälle von dauerndem Gedächtnisverlust. Ich kannte einen Fall, in dem der arme
Teufel sogar erst wieder lernen mußte, zu sprechen, zu lesen und zu essen.«
    »Mein Gott!«
    Dr. Whitticomb nickte bekräftigend,
dann fuhr er fort: »Wenn Sie noch irgendwelche Zweifel daran haben, so vorzugehen,
wie ich es vorgeschlagen habe, bedenken Sie dies als zusätzlichen Vorteil: Ich
habe der jungen Dame klargemacht, daß sie nicht viel Zeit mit ihrem Verlobten
verbrachte, bevor sie hierherkam. Und sie weiß auch, daß sie nie bei ihm
zuhause gewesen ist, ja, noch nicht einmal in seinem Land, weil ich ihr auch
das versichert habe. Weil sie also damit rechnet, unter fremden Menschen und in
einer ihr unbekannten Umgebung zu sein, ängstigt sie sich bis jetzt noch
nicht, wenn sie nichts und niemanden wiedererkennt. Anders liegt die Sache
aber, wenn ihre Familie zu einem Zeitpunkt eintrifft, in dem sie ihr
Gedächtnis noch nicht wiedererlangt hat. Wenn sie sich an ihre eigenen
Angehörigen bei deren Anblick nicht erinnern kann, wird sie geistig und
körperlich einen Rückfall erleiden. Nun, sind Sie bereit, das Risiko auf sich
zu nehmen, um sie vor diesem Schicksal zu bewahren?«
    »Auf jeden Fall«, antwortete Stephen
entschlossen.
    »Ich wußte, Sie würden so reagieren,
wenn Sie die wahre Tragweite der Situation erfahren. Im übrigen habe ich Miss
Lancaster erlaubt aufzustehen, vorausgesetzt, sie setzt sich noch etwa eine
Woche lang keinen weiteren Anstrengungen aus.«
    Hugh Whitticomb zog seine Uhr
heraus, klappte den Deckel auf und erhob sich. »Ich muß gehen. Ihre reizende Mutter
hat mir übrigens eine Nachricht geschickt. Sie plant, zusammen mit Ihrem Bruder
und Ihrer Schwägerin die Saison hier zu verbringen. Ich freue mich schon sehr
darauf, alle in einer Woche wiederzusehen.«
    »Ich auch«, erwiderte Stephen
geistesabwesend. Whitticomb war bereits auf dem Weg nach draußen, als Stephen
einfiel, daß er dann auch noch seine Familie in das groß inszenierte
Täuschungsmanöver mit einbeziehen mußte. Aber das war noch nicht alles, stellte
er fest, während er seine Papiere in die Schreibtischschublade räumte. Wenn in
einer Woche seine Familie für die Saison in London eintraf, würden auch alle
anderen kommen, und Hunderte von Einladungen zu Bällen und all den anderen
gesellschaftlichen Ereignissen würden, zusammen mit einem Strom von Besuchern,
in seinem Haus eintreffen.
    Er schloß die Schreibtischschublade
ab und lehnte sich stirnrunzelnd in seinem Sessel zurück, während er die Alternativen
bedachte: Wenn er alle Einladungen ausschlüge, was er nur zu gern tun würde,
wäre das Problem damit nicht gelöst. Seine Freunde und Bekannten würden solange
vorsprechen, bis sie ihn endlich zu Gesicht bekämen, und zudem herauszufinden
versuchen, warum er zur Saison nach London gekommen war und sich dann wie ein
Eremit benahm.
    Stirnrunzelnd überlegte Stephen, daß
seine einzige Chance darin bestand, Miss Lancaster aus der Stadt und auf eines
seiner Landgüter zu bringen – und zwar auf das entfernteste. Das würde jedoch
bedeuten, daß er sich bei seiner Schwägerin und seiner Mutter entschuldigen
mußte, auf deren Drängen er in erster Linie zur Saison nach London gekommen
war. Sie hatten ihm liebevoll und sehr überzeugend dargelegt, daß sie ihn in
den letzten zwei Jahren kaum gesehen hatten, obwohl sie seine Gesellschaft
sehr schätzten. Stephen wußte, daß sie das durchaus ernst meinten. Ihren dritten
Beweggrund hatten sie allerdings nicht erwähnt: Sie wollten ihn nämlich
verheiraten, am liebsten mit Monica Fitzwaring, ein Projekt,

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