Judith McNaught
hatte.
»Also, da war eins mit einem sehr
langen Namen. Wenn ich mich recht erinnere, hieß es Das Monatsmuseum der
Damen oder Erbauliche Sammlung der Erheiterung und des Wissens: eine
Zusammenstellung dessen, was der Phantasie gefällt, den Geist schult oder den
Charakter der britischen Damen erhebt.«
»Und all das in einem Magazin?«
neckte Stephen. »Ein ganz schön ehrgeiziges Unterfangen!«
»Das fand ich auch, bis ich mir die
einzelnen Artikel ansah. Wissen Sie, worüber einer war?«
»Wenn ich mir Ihren Gesichtsausdruck
ansehe, traue ich mich kaum zu raten«, erwiderte er schmunzelnd.
»Er handelte von Rouge«, verriet sie
ihm.
»Was?«
»Der Artikel handelte davon, wie man
Rouge auf die Wangen aufträgt. Es war unglaublich aufschlußreich! Was meinen
Sie, fällt das unter die Überschrift 'den Geist schulen' oder 'den Charakter
erheben'?« fragte sie mit gespieltem Ernst, während Stephens Schultern schon
vor hilflosem Lachen über ihren Witz zuckten.
»In manchen Magazinen standen
allerdings Artikel von weit größerer Bedeutung. In einem zum Beispiel, namens Versammlung
der Schönen oder Das Modemagazin für die Damen wurde darüber informiert,
wie eine Dame ihre Röcke korrekt hält, wenn sie knickst. Ich war hingerissen!
Ich hatte nie darüber nachgedacht, daß man besser nur den Daumen und den
Zeigefinger benutzt, um die Röcke hochzuhalten, statt alle Finger, die Gott uns
gegeben hat. Gezierte Vollkommenheit ist das Ideal, das jede Frau anstreben
muß, wissen Sie?«
»Ist das Ihre Theorie oder die des
Magazins?« fragte Stephen grinsend.
Sie schenkte ihm einen lachenden
Blick, der ein Wunder an unbeschwerter Respektlosigkeit war. »Was denken Sie?«
Stephen dachte, daß er ihre muntere
Ungeniertheit jeden Tag seines Lebens der gezierten Vollkommenheit vorziehen
würde. »Ich denke, wir sollten diesen Unsinn aus Ihrem Schlafzimmer entfernen
lassen.«
»0 nein, das dürfen Sie nicht. Das
dürfen Sie wirklich nicht. Ich lese die Artikel jeden Abend im Bett.«
»Tatsächlich?« fragte Stephen, weil
sie ihn vollkommen ernst ansah.
»Aber ja. Ich lese eine Seite und
nicke sofort ein. Das ist viel wirkungsvoller als ein Schlaftrunk.«
Stephen löste widerstrebend seinen
Blick von ihrem bezaubernden Gesicht und sah zu, wie sie ihre Haare aus der
Stirn strich und sie ungeduldig nach hinten schüttelte, so daß ein Schleier von
kupferfarbenen Locken über ihre Schulter glitt.
Es hätte ihm besser gefallen, wenn
es so geblieben wäre wie vorher, nämlich kunstlos über ihre rechte Brust
fließend. Verärgert darüber, daß seine Gedanken schon wieder eine so unmögliche
Richtung nahmen, sagte Stephen abrupt: »Da wir Rouge und Knicksen jetzt
abgehakt haben, wofür interessieren Sie sich denn noch?«
Für dich, dachte Sherry. Ich interessiere
mich für dich. Ich interessiere mich dafür, warum du gerade jetzt einen
unbehaglichen Eindruck machst. Ich interessiere mich dafür, warum du mich
manchmal anlächelst, als Bähst du nur mich und als sei ich alles, was für dich
zählt. Ich interessiere mich dafür, warum ich zu anderen Zeiten spüre, daß du
mich am liebsten überhaupt nicht sehen würdest, selbst wenn ich direkt vor dir
stehe. Ich interessiere mich für alles, was mit dir zu tun hat, weil ich dir so
gerne etwas bedeuten würde. Ich interessiere mich für Geschichte. Deine
Geschichte. Meine Geschichte. »Geschichte. Mich fasziniert Geschichte«,
erklärte sie ihm munter nach kurzem Nachdenken.
»Was mögen Sie sonst noch?«
Da sie sich an sonst nichts erinnern
konnte, gab sie ihm die einzige Antwort, die ihr einfiel. »Ich glaube, ich mag
Pferde sehr gern.«
»Warum sagen Sie das?«
»Als Ihr Kutscher mich gestern durch
den Park gefahren hat, habe ich Frauen reiten sehen, und das stimmte mich ...
glücklich. Aufgeregt. Ich glaube, ich kann reiten.«
»In diesem Fall müssen wir ein
geeignetes Pferd für Sie finden. Ich schicke eine Nachricht zu Tattersall's,
damit sie Ihnen eine hübsche, freundliche kleine Stute aussuchen.«
»Tattersall's?«
»Das ist ein Auktionshaus.«
»Kann ich nicht hingehen und
zusehen?«
»Das würde einen Aufstand geben.« Er
lächelte, als sie ihn verwirrt ansah. »Frauen sind bei Tatt's nicht
zugelassen.«
»Ach, ich verstehe. Mir wäre es
eigentlich lieber, Sie würden kein Geld für ein Pferd ausgeben. Vielleicht
stellt sich ja heraus, daß ich gar nicht reiten kann. Sollte ich nicht zunächst
eines von Ihren Pferden benutzen, um das herauszufinden?
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