Judith
Mann blenden! Du leuchtest wie ein Stern. «
Judith freute sich über seine Komplimente. »Und du machst einen Tag heller. Du nimmst an dem Turnier teil? « Sie nickte zu dem Platz hin.
»Miles und ich streiten mit, ja. «
Keiner der beiden schien Gavins finstere Miene zu sehen. Sie unterhielten sich fröhlich weiter.
»Was bedeuten diese Bänder, die die Männer tragen? « wollte Judith wissen.
»Eine Lady kann einem der Ritter ihre Gunst beweisen und ihm als Beweis ein Pfand schenken… «
»Dann schenke ich dir ein Band. « Judith lächelte ihn an.
Raine kniete sofort nieder. Die Scharniere seiner Rüstung knarrten dabei. »Ich würde mich sehr geehrt fühlen. «
Judith nahm den feinen Schleier von ihrem Haar und löste eines der goldenen Bänder, die sich um ihre Flechten schlangen. Ihre Mägde schienen gewußt zu haben, daß sie einem der Ritter ein Pfand geben würde.
Raine sah sie glücklich an, als sie ihm das Band um den Arm legte. Sie war kaum fertig damit, als Miles neben ihnen auf tauchte und ebenfalls vor Judith in die Knie ging.
»Du kannst nicht einen Bruder dem anderen vorziehen«, sagte er. Wieder sah er sie auf diese Art an, die sie ganz nervös machte.
Bis jetzt hatte Judith solche Blicke nicht deuten können. Doch jetzt war sie keine Jungfrau mehr, sondern eine Frau, die ihre erste Liebesnacht hinter sich hatte. Miles’ Blick trieb ihr die Röte ins Gesicht. Sie beugte den Kopf, als sie auch um seinen Arm ein güldenes Band knüpfte.
Raine war ihr Erröten nicht entgangen. Er lachte und stieß seinen Bruder in die Seite. »Halte dich zurück, Miles. Unser Bruder frißt uns fast mit seinen Blicken. «
Gavin schnaubte verächtlich durch die Nase. »Ich sehe nur, wie ihr beiden euch zum Narren macht. Es gibt genug andere Frauen hier. Geht zu ihnen, und führt euch dort wie balzende Truthähne auf. «
Judith war eben damit fertig, das Band an Miles’ Arm zu befestigen, da spürte sie, wie sich Gavins Finger um ihr Handgelenk schlossen, wie Eisenschrauben.
»Du tust mir weh! « Vergeblich versuchte sie, sich aus dem schmerzhaften Griff zu befreien.
»Ich werde dir noch viel mehr weh tun, wenn du dich weiterhin so aufführst«, brummte er. »Wie eine… eine Kokotte… «
»Kokotte? « Judith blitzte ihn wütend an. »Sieh dich um! Bist du blind? Überall geben hier Damen ihren Auserwählten Bänder und sogar Schmuckstücke. Willst du sie alle als Kokotten bezeichnen? « Sie zitterte vor Zorn. »Aber warum wundere ich mich darüber? Ein Mensch, der selbst unehrlich und falsch ist, glaubt, daß andere auch so sind wie er! Vielleicht willst du mir sogar deine eigenen Fehler anlasten? «
Seine Augen verdunkelten sich, als er sie ansah. »Ich werfe dir nur vor, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Du reizt die Männer, und ich will nicht, daß du für meine Brüder die Hure spielst. Setz dich jetzt hier und sorge dafür, daß ich nicht wieder wütend werden muß. «
Er drehte sich um und ging davon. Judith blieb allein unter dem Zeltdach zurück, das die Farben der Montgomerys trug.
Einen Moment stand sie wie betäubt da und nahm ihre Umwelt nicht wahr. Diese Ungerechtigkeit konnte sie Gavin nicht verzeihen. Ihr Haß flammte heftig auf, und vor Wut traten ihr Tränen in die Augen.
Gewaltsam riß sie sich zusammen und schickte sich an, ihren Platz auf den Bänken der Montgomerys einzunehmen. Ihr Gemahl war ihr nicht zur Seite, um sie seinen Verwandten vorzustellen. Nun gut, sie würde es auch allein schaffen.
Stolz hob Judith den Kopf und unterdrückte ihre Tränen.
»Lady Judith? « Eine weiche Stimme ließ sie aufhorchen. Als sie sich umdrehte, sah sie eine Frau in Nonnentracht.
»Ich möchte mich vorstellen. Wir begegneten uns zwar schon gestern, aber ich bin nicht sicher, ob du dich an mich erinnerst. Ich bin Gavins Schwester Mary… «
Mary sah ihrem Bruder nach, und sie konnte ihn nicht begreifen. Jeder ihrer vier Brüder — ob nun Gavin, Stephen, Raine oder Miles — war stets besonders galant.
Gavin hatte jedoch seine Braut eben nur mit finsteren Blicken bedacht. Er hatte nicht ein einziges Lächeln für sie gehabt. Nun ging er zu den Zelten hinüber, obwohl er nicht an den Wettkämpfen teilnahm. Mary konnte über ihren Bruder nur den Kopf schütteln.
Gavin bahnte sich einen Weg durch das Gedränge. Immer wieder mußte er stehenbleiben, weil ihm jemand auf die Schulter klopfte oder ihm die Hand schüttelte.
Je näher er den Zelten der Ritter kam, desto lauter wurde
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