Judith
Gavin im Bett liegen und beobachtete jede Bewegung seines Weibes.
Judith brachte es nicht über sich, zu ihm hin zu sehen. Sie war bis ins Innerste ihrer Seele verwirrt. Sie verabscheute diesen Mann. Niemanden haßte sie so wie ihn, und doch vergaß sie allen Stolz, wenn er sie berührte.
Sie hatte vor ihm und vor Gott geschworen, daß sie ihm nichts freiwillig geben würde. Und doch hatte er mehr bekommen, als sie zu geben bereit gewesen war.
Wie eine Träumende saß Judith da. Sie merkte nichts davon, daß Joan und Maud ihr das dünne Leinenhemd überstreiften und dann das Kleid aus dunkelgrünem Samt, das mit Goldstickerei verziert war.
Der Rock des Gewandes war vorn geschlitzt und gab den Blick auf ein seidenes Unterkleid frei. Das Oberkleid hatte weite, an den Handgelenken jedoch eng anliegende Ärmel. Auch sie hatten Schlitze, aus denen grüne Seide hervorquoll.
»Hier, Herrin! « Maud legte Judith ein flaches Kästchen in den» Schoß.
Überrascht starrte Judith ihre Zofe an, als sie den Deckel abgehoben hatte. Auf schwarzem Samt lag ein goldenes Geschmeide in zartester Filigranarbeit, und daran hingen ebenmäßige Smaragde so groß wie Regentropfen.
»Ist das schön«, flüsterte Judith hingerissen. »Woher hat meine Mutter… «
»Das ist das Brautgeschenk von Eurem Gemahl«, berichtete Maud mit leuchtenden Augen.
Judith meinte, Gavins Blick in ihrem Rücken zu spüren. Sie fuhr herum und sah ihn an. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie ihn so schön und männlich im Bett liegen sah.
Sie mußte sich zwingen, vor ihm einen Knicks zu machen. Doch sie schaffte es, wenn auch mit zitternden Knien. »Ich danke meinem Gebieter. «
Gavins Kinn wurde kantig, als er wieder diese Kälte in ihren Augen sah. Er begriff nicht, was in ihr vorging.
Judith wandte sich wieder zu Maud und Joan um. Sie schlossen die Knöpfe ihres Kleides und flochten das Haar ihrer Herrin zu dicken Zöpfen, die sie zu einer Krone aufsteckten.
Ehe sie damit fertig waren, befahl Gavin den beiden Mägden, den Raum zu verlassen. Judith sah ihn nicht ein einziges Mal an, als er sich hastig ankleidete und rasierte. Als er dann jedoch in dunkelbraunen Hosen und Wams und mit einer goldverzierten Jacke vor ihr stand, hatte sie wildes Herzklopfen. Er reichte ihr den Arm und führte sie nach unten, wo die Gäste auf sie warteten.
7. Kapitel
Auf den Wiesen außerhalb von Revedoune Manor herrschte lautes Treiben. Knisternde Spannung lag in der Luft. Überall flatterten bunte Fähnchen. Die Zelte und Baldachine waren festlich geschmückt.
Die bunte Kleidung der Gäste leuchtete im Sonnenlicht. Kinder rannten zwischen den Ständen der Händler hin und her, die lauthals ihre Waren anpriesen. Sie verkauften nahezu alles, von Obst bis zu Reliquien.
Der Turnierplatz wurde von einem Holzzaun begrenzt. Hier hielten sich die Teilnehmer mit ihren Pferden auf. In der Mitte war der Kampfplatz noch einmal extra abgeteilt. Überall drängten sich Neugierige.
Für die Zuschauer waren erhöhte Tribünen errichtet worden. Dort standen gepolsterte Bänke, jeweils mit dem Banner der dort sitzenden Gäste gekennzeichnet.
Lange vor dem Wettkampf sah man die Ritter in ihren Rüstungen umhergehen. An den Waffen, die sie trugen, konnte man sehen, ob sie wohlhabend oder arm waren. Manche Rüstung wog mehr als hundert Pfund. Auf den Helmen waren Federn in den Farben des Ritters befestigt.
Als sie neben Gavin zum Turnierplatz ging, war Judith von all dem Lärm und dem Trubel ganz verwirrt. Das alles war etwas Neues für sie, die so lange zurückgezogen gelebt hatte.
Doch Gavin beschäftigten andere Dinge. In dieser Nacht hatte er eine völlig neue Erfahrung gemacht. Keine Frau hatte bis jetzt solche Gefühle in ihm geweckt wie Judith. Oft waren seine Liebesabenteuer nur schnell und kurz gewesen, auch seine Begegnungen mit Lilian. Er liebte die Frau nicht, die er geheiratet hatte. Die Gespräche mit ihr verliefen immer sehr heftig. Sie machte ihn wütend mit ihrer Aufsässigkeit. Aber nie hatte er wie bei ihr eine so uneingeschränkte Leidenschaft erfahren.
Judith sah Raine herankommen. Er war bereits in voller Rüstung. Auf dem dunklen Stahl leuchteten winzige goldene Lilien. Er trug seinen Helm unter dem Arm und bewegte sich so als sei er das schwere Gewicht des Eisens gewöhnt.
Es wurde Judith nicht bewußt, daß sie Gavins Arm losließ, als sie Raine erkannte. Er strahlte über das ganze Gesicht.
»Hallo, kleine Schwester! Deine Schönheit kann einen
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