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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Namensliste. Sooooo sehr falsch habe ich die wohl nicht verstanden. Übrigens: wenn die ersten fünf oder sechs Jahre die wichtigsten im Leben eines Menschen sind, sind natürlich auch die Personen am wichtigsten, mit denen ich damals zusammen war. Das wären also: meine Eltern, Schwester Hedwig aus dem Krankenhaus, Oma I, Oma II, Tante in ESSEN mit Familie, Tante in Neuß mit Familie, das Kindermädchen, der Geselle, der so schön sang. Außer dem letzten, habe ich doch in der Liste alle angeführt, das kann also so falsch nicht gewesen sein, denn das sind doch alle, mit denen ich bis dato überhaupt zusammen war!!
    Ich sehe gerade: wann die Polizei meinen Vetter vernommen hat? Das muß noch im Sommer 1966 gewesen sein. Was ich darüber weiß, ist nur, daß die Kripo, Herr Mätzler war es, ganz selbstverständlich zu mir sagte, so nebenbei: «Weißt Du, was Du sagst, das hat er zugegeben, aber machen können wir da sowieso nichts mehr, weil das schon zu lange her ist.»
    … «Wochen und Monate», das ist nur eine ganz grobe Zeitgrenze. Ich habe auch kaum noch Erinnerung daran, so daß ich Ihnen da fast nichts sagen kann. Das gilt besonders für die Phantasie, «wie» sich da die Wandlung vollzogen hat, da weiß ich gar nicht mehr von. Allenfalls etwas, allerdings ohne genaue Zeitangabe, wie es im praktischen Bereich vor sich ging. Da fand ich mich auf einmal im Wald (die Höhle kannte ich bestimmt schon; ich weiß nicht, warum ich sie nicht sofort zum Töten in Betracht zog) wieder, überlegend: «Wenn jetzt ein Junge kommt (durch den Wald führte eine Autostraße), dann bringst Du ihn um und ziehst ihn aus.»
    Nun, lange Tage kam niemand. Aber zweimal ist es dann doch so gewesen, daß ich einen Jungen (beides Kinder, die ich kannte) überfallen habe und versuchte, ihn auszuziehen. Einer war, glaube ich, elf und einer zwölf. Aber ich war im entscheidenden Augenblick immer ganz «schwach in den Knien», so daß da nichts draus wurde. Da muß ich etwa Ende vierzehn gewesen sein, ungefähr. Das war so die Zeit, wo ich da im Wald stand und dachte: «Warum bringst Du sie nicht um?»
    Da eben nichts Ernstes passiert war, fand ich das Umbringen gar nicht so besonders schlimm. Schauen Sie, man macht sich in dem Alter doch noch gar keine rechte Vorstellung, was das wirklich ist, wenn man so etwas tut. Auch das Furchtbarste nimmt man noch nicht recht ernst.
    Was verschwunden war während der Haft? Alles, nicht etwa nur der Sexualtrieb als solcher, nicht nur die Phantasien vom Quälen und Töten, alles insgesamt war
     
    [An dieser Stelle, am Anfang der dritten Seite des Briefs, stehtfolgendes eingerahmt:] *Bis zum Urteil sind der Trieb und auch die schlimmen Phantasien genauso schlimm wie stets gewesen, wahrscheinlich eher noch stärker, weil es sich noch immer weiter und länger hinzog, die Phantasien usw. Ein gutes Foto genügte schon, um mich ganz schwer aufzuregen.
     
    [Fortsetzung von oben:] lange Zeit völlig verschwunden, und das war eine wahre Wohltat. Das fing an mit dem Abend der Urteilsverkündung, wo ich den ersten Erstickungsanfall hatte. Mit einem Schlag war da Schluß   …
    Ich sehe gerade, ich habe noch was vergessen in Beziehung Onanie. Immer zu Hause? Natürlich nicht immer zu Hause. Mal auf meinem Zimmer, mal auf der Toilette, mal auf der Toilette in den Gaststätten, mal im Wald, sogar oft im Wald, wenn ich spazieren war, allerdings ohne direkten Zusammenhang. Nicht etwa so: einen Jungen sehen, ab in den Wald, allein, onanieren. So nicht. Ich habe diese ewige Gedankenverbindung, die Ihr alle (Sie, die Kripo, das Gericht, die Staatsanwaltschaft, die Gutachter, alle, alle, alle) mir als Selbstverständlichkeit präsentiert, doch damals gar nicht beachtet, [die folgenden zwei Worte sind eingerahmt]
nicht gekannt
! Zwar galt das bei mir für zu Hause, oder wenn ich draußen Drang zum Onanieren hatte. Aber ich habe das (in Zusammenhang mit den Kindern) nie direkt in Zusammenhang mit dem lebenden Objekt gebracht! Damit ich es nicht vergesse: Auf der Toilette beim Geschäft natürlich auch.
    Alsdann, lieber Pawlik, bis zum nächsten mal 1000   Grüße von Ihrem sehr alten Freund
    Jürgen
     
    [Das Folgende hat er ganz winzig klein geschrieben; er hatte nur noch eine Seite zur Verfügung und wußte offensichtlich, daß er noch eine Menge schreiben wollte.]
     
    PS: Zu der Frage, «was» ich sein wolle, noch folgendes, wo ich in der letzten Zeit oft dran denken mußte. Weil ich ja vom Richteraus nicht in die

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