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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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manchmal zunächst mit Zangen, Rasiermessern, glühenden Feuerhaken und anderen Geräten quälte. Einige zwang sie dazu, Menschenfleisch zu essen, mal das von anderen, mal das eigene. Zeitgenössische Berichte behaupten, sie habe auch Lust darin gefunden, ihre Opfer zu beißen und ihr Blut zu trinken. Erst als die Gräfin anfing, auch adlige Jungfrauen zu töten, geriet sie inernsthafte Schwierigkeiten. Verhaftet, abgeurteilt, auf ihr Schloß verbannt, starb sie dort dreieinhalb Jahre später eines natürlichen Todes.
    Zwischen 1919 und 1930 erstach in Düsseldorf Peter Kürten dreizehn Männer, Frauen und Kinder; am 2.   Juli 1931 starb er unter dem Fallbeil in Köln. Während des Dritten Reiches schläferte der reisende Uhrmacher Adolf Seefeld, «Onkel Tick-Tack», zwölf Knaben mit einem tödlichen Gift ein und verging sich an ihnen; er wurde am 24.   Mai 1936 hingerichtet. Die Polizei vermutete, daß er zwischen 1895 und 1935 mehr als hundert Knaben ermordete. In den Jahren 1946/​47 tötete der damals dreiundzwanzigjährige Rudolf Pleil, der sich «Der Totmacher» nannte, in der Nähe von Gängen nach eigenem Geständnis und auf grausamste Weise sechsundzwanzig Frauen; er bekam «lebenslänglich» und erhängte sich am 16.   Februar 1958, «unglücklich über diesen unseligen Trieb», in der Haft in Celle. Und 1960 wurde Heinrich Pommerenke, der vier Morde, sieben Mordversuche und siebzig Sexualüberfälle und Notzuchtverbrechen beging, zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt. Wer spricht heute in Deutschland noch von ihnen?
    Warum spricht man aber heute in Deutschland, immer noch, von Jürgen Bartsch?
    ***
    Non privatim solum, sed publice furimus.
    Homicidia compescimus et singulas caedes;
    quid bella et occisarum gentium gloriosum scelus?
    Seneca: Ad Lucilium XCV
     
    Während des ersten Prozesses verbrachte Heinz Möller den Montag, Mittwoch und Freitag in der Jugendkammer des Wuppertaler Landgerichts und die übrigen zwei Arbeitstage der Woche in einem großen, improvisierten Verhandlungsraum des Polizeipräsidiums.
    Der eine Prozeß dienstags und donnerstags versuchte dieSchuld oder Unschuld von mehreren ehemaligen Polizeibeamten festzustellen (einige waren noch im Dienst), die auf Befehl der Wehrmacht sechsundzwanzig Jahre früher – am 27.   Juni 1941 – etwa neunhundert bis zweitausend Juden in die Synagoge von Białystok getrieben und lebend verbrannt sowie weitere Hunderte in den Parkanlagen der Stadt erschossen hatten: Dieser Prozeß, der so gut wie keine Zuhörer anzog, fand in den Zeitungen eine bemerkenswert dürftige Berichterstattung. Zum Beispiel fehlte jegliche Erwähnung, daß der damalige Leiter der Wuppertaler Staatsanwaltschaft wegen seines Verhaltens als Staatsanwalt beim deutschen Sondergericht im besetzten Prag unter der Nummer «A 38   -   37» immer noch auf der tschechoslowakischen Kriegsverbrecherliste stand.
    In dem anderen Prozeß verteidigte Heinz Möller den einundzwanzigjährigen Jürgen Bartsch, der trotz zahlreicher vorangegangener Versuche die relativ geringe Anzahl von vier Morden begangen und in kleinsten Einzelheiten auch eingestanden hatte. Zu diesen Sitzungen strömte das Publikum jeden Tag in Scharen; manche standen lange vor der Sonne auf, um pünktlich zum Prozeßbeginn um halb neun aus der weiteren Umgebung in der Stadt zu sein, und die Presse berichtete über den Prozeß mit beispielloser Ausführlichkeit. Die Zeitungen erhielten zahllose Briefe, in denen die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert wurde; in anderen wurden für Bartsch Behandlungen vorgeschlagen, die an schierem Sadismus kaum der makabren Phantasie nachstanden, die Bartsch bei seinen Verbrechen an den Tag legte.
    Jürgen Bartsch hatte zwischen 1962 und 1966 vier Knaben ermordet und schätzte, daß er mehr als hundert weitere erfolglose Versuche unternahm. Jeder Mord zeigte kleinere Abweichungen, aber die Hauptprozedur blieb die gleiche: Nachdem er einen Knaben in einen leeren ehemaligen Luftschutzbunker an der Heeger Straße in Langenberg gelockt hatte, machte er ihn durch Schläge gefügig, fesselte ihn mit Schinkenschnur; manipulierte seine Genitalien, während er selber manchmal masturbierte, tötete das Kind durch Erwürgen oder Erschlagen, schnitt den Leibauf, leerte Bauch- und Brusthöhle vollständig und begrub die Überreste. Die verschiedenen Varianten umfaßten die Zerstückelung der Leiche, Abtrennung der Gliedmaßen, Enthauptung, Kastration, Ausstechung der Augen,

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