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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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so gut an. Der unterbrochene Briefwechsel, dessen Wiederauferstehung sie erzwang, mit lieben, lieben Karten, die Brieffreundschaft kam wieder in Gang, es dürften jetzt zwei Jahre sein. Das persönliche Kennenlernen kam erst hier, mit Erlaubnisvon Dr.   Teuber. Fünf- oder sechsmal, wenn meine Erinnerung nicht trügt, trafen wir uns hier persönlich, stellte ich ihr (weil ich sie ob ihrer Gefühle gern habe, mir selber geht es genauso) die Frage nach der Verlobung. Worauf sie sich vier Wochen Bedenkzeit erbat, und ich in Tränen ausbrach, weil sie nicht gleich   …
    Nun, bei Liebe kommt so was vor. Nun haben wir uns am 15/​2/​73 hier in Eickelborn verlobt. Als Verlobungsgeschenk bekommt sie den Ring, ein Kettchen, wie ich es trage, und außerdem noch etwas Schönes aus Gold. Ich bekomme alles zugesteckt, und beim nächsten Besuch werden wir die Ringe tauschen. (Wundern darfst Du Dich ja eigentlich nicht mehr darüber, ich sagte Dir ja, wie unter der Therapie und der Medikation zuerst das Ärgste wich (Sadismus), dann die Grenze bei den Kindern hochschnellte bis zu Jünglingen, und wie der «normale» heterosexuelle Anteil in der Phantasie immer mehr Raum einnahm.)
    Und Gisela? Sie ist Krankenschwester in Hannover, die, obwohl fast kein Geld vorhanden war, mich fast jede Woche besuchte. Jetzt ist aber das Geld zu Ende. Trotz der Besuche halten wir unseren Briefverkehr aufrecht.
    Sie ist ein lieber Kerl, Schwester, kinderlieb, fleißig, treu vor allem auch. Was heute ja besonders wichtig ist. Sie wollte nach einer in der Nähe liegenden Stadt ziehen. Ich bat sie sogar darum. Nun aber, nach Rücksprache mit meinen Eltern will sie, wie sie sagt, aus ihrem Beruf gehen, und in unserem Geschäft als Angestellte arbeiten, mit freier Wohnung, usw. Daß ist eine große Sorge für mich; ich sehe sie nicht gern unter den Fittichen meiner Eltern. Mein Vater hat immer noch seine «Nachfolger»-Theorie im Kopf, wirklich dumm, allein schon weil Essen und Langenberg Orte sind, die ich meiden sollte wie die Pest.
    Glaubst Du, alter Freund, ich mag Deine Meinung nicht hören? Sag sie mir nur, direkt ins Gesicht. Du sagst, Du hast, alter Kumpel, also mit Herrn Eibel, Dr.   Teuber und sogar [mit dem Krankenhausdirektor] Dr.   Schneller gesprochen.
    Die Psychotherapie durch unseren Dr.   Teuber, die Behandlung, die mir den meisten Halt gibt, ist seit einer Woche oderlänger unterbrochen. Vielleicht ist Dr.   Teuber krank, oder es kam etwas dazwischen, ich weiß es ja nicht. Daß er mich nicht mehr möge oder so, kann ich mich nicht vorstellen, aber vielleicht bin ich einer von jenen Idioten, die glauben, jeder müsse sie gernhaben, möglichst gleich am ersten Tag.
    ***
    [Es beunruhigte mich, daß Jürgen, aus welchem Grund auch immer, mir eine so bedeutende Entwicklung in seinem Leben wie sein Verhältnis zu Gisela verheimlicht hatte, und das zwei Jahre lang. Ich habe mir Mühe gegeben, ihn davon zu überzeugen, daß ich jede menschliche Zuwendung für ihn begrüßte, fragte aber, ob sein Vertrauen zu mir geschmälert worden sei. Dieser Brief enthält eine bemerkenswerte Fehlleistung. Ein Satz endet so: «…   hatten wir uns   … hoffnungslos und rettungslos.» – Punkt. Nachträglich, mit einem Pfeil auf die Stelle, hat er das Wort «verliebt» hinzugefügt.]
     
     
    4771   EICKELBORN, 7/​3/​73
     
    … Um gleich am Anfang etwas zu sagen: vor Dir als Person würde ich niemals ein Geheimnis irgendeiner Art haben. Ich habe es auch noch nie getan. Unser Buch wäre sonst nie zustandegekommen. Ist Dir das klar? In der Sache mit der Krankenschwester Gisela und unserer Verliebungs- und Verlobungsgeschichte war ich zurückhaltend aus Gründen, die mir selber nicht ganz klar sind, nicht ganz bewußt. Das mußt Du mir glauben, alter Kumpel.
    Hier muß etwas eingeschoben werden, das Dir letztlich verständlich sein sollte. Auch, wenn es eine unangenehme Sache sein sollte. Meine Briefe aus dem Landeskrankenhaus können niemals die Briefe aus der Justizvollzugsanstalt sein. Ich schreibe Dir sozusagen aus der «Beobachtungsanstalt». Der Zensor im Knast hatte nicht die geringste Verbindung zu mir als Person.
    Bei Dr.   Goette war es manchmal schon schwer, aber hier ist es nun noch ganz, ganz anders. Man wird Tag für Tag beobachtet;die Post wird (auf ihre eigene Art) sehr viel strenger auf Gehalte untersucht, und schließlich kommt meine Empfindlichkeit noch dazu. Unter solchen Umständen (wer will es einem Arzt verwehren,

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