Jürgen Klopp: Echte Liebe
Impulsivität könnte nun allerdings noch teurer werden oder zu häufigerer Verbannung auf die Tribüne führen: Denn seit Beginn der Saison 2011/12 will der DFB stärker gegen vehement gestikulierende Trainer durchgreifen, so sie damit überzogen gegen Entscheidungen des Schiedsrichters protestieren. Doch Klopp wird Klopp bleiben: Ein Energiebündel »unter Strom«.
»Klopp lässt Dampf ab,
ist aber nicht nachtragend.«
Als Experte des Kicker Sportmagazins für Borussia Dortmund hat sich Thomas Hennecke in den letzten dreieinhalb Jahren so manches Mal mit Jürgen Klopp zum Interview getroffen, dabei gerne auch mal kontrovers diskutiert – immer mit offenem Visier auf beiden Seiten. Klopps Verhältnis zu Henneckes Berufsstand beschreibt er als »unglaublich professionell«, aber auch »unverblümt direkt«: »Wenn sich Klopp nicht richtig zitiert fühlt oder der Inhalt einer Story ihn kom plett verärgert hat, knüpft er sich den Journalist schon mal persönlich vor, und auf diplomatische Floskeln verzichtet er dann. Doch selbst wenn ihm etwas gegen den Strich geht, ist er nicht nachtragend. Er macht sich Luft, lässt Dampf ab und am nächsten Tag ist die Geschichte vergessen. Das finde ich gut. Man weiß, woran man bei ihm ist.«
Doch laut Hennecke kommt nicht jeder Kollege mit dieser direkten Ansprache klar: »Angenehm ist es nicht, Klopps Zielscheibe zu sein, wenn er ungefiltert seinen Unmut über Fragen artikuliert, die er für oberflächlich oder dumm hält. Ungeachtet dessen wird Klopp von den Medienvertretern für seine kommunikative Art geschätzt.«
Verständnis bringt Hennecke dafür auf, dass es Klopp nervt, zum x-ten Mal die gleiche Frage beantworten zu müssen. »Dann kann er schon mal grantig werden. Ich erinnere mich an eine Pressekonferenz zwei Monate nach Trainingsauftakt, als er nach dem Saisonziel befragt wurde, wahrlich nicht zum ersten Mal. Dann überlegte er einen Moment, schüttelte den Kopf und fragte den Journalisten zurück, wo dieser sich eigentlich die letzten Monate aufgehalten habe. In solchen Momenten lässt er sehr ungefiltert seinen Dampf entweichen.«
Als spannend empfindet Hennecke die fachlichen Diskussionen mit Klopp, die häufiger kontrovers, aber fair ablaufen. Der Journalist gibt ein Beispiel aus der Saison 2010/11: »Die mangelnde Chancenverwertung war immer mal wieder ein Thema in den Medien. Eines, das Klopp nicht nachvollziehen konnte, da sein Ansatz ein völlig anderer ist: Er wertet es als positives Zeichen für das BVB-Spiel, gerade dass so viele Großchancen herausgearbeitet werden – wie viele davon vergeben wurden, diese Betrachtung ist ihm zu negativ.«
Zu unterschiedlicher Auffassung gelangten Hennecke und Klopp auch zu Beginn der Folgesaison: »Zum schleppenden Saisonstart habe ich einen längeren Text darüber geschrieben, warum der BVB anders als im Vorjahr spielt, warum die Leichtigkeit verflogen ist. Dieser methodische Ansatz gefiel ihm gar nicht und wir hatten ein längeres Streitgespräch. Die ersten fünf Spieltage könnten nicht mit der gesamten Vorsaison verglichen werden, war sein Standpunkt. Er ist dann sehr beharrlich in der Verteidigung seiner Position. Da hat er mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich komplett auf dem Holzweg sei.«
Markenzeichen Jürgen Klopp
Mit seinem Dreitagebart, lockerer Haarpracht, Brille, Baseball-Cap und legerem Kapuzenshirt ist Jürgen Klopp bereits optisch eine Type. 43 Die frühere Nickelbrille ist passé, ebenso die einstige Bezeichnung als »Harry Potter«, als in jüngeren Jahren die Figur hager und die Haare kürzer waren. Doch wie Klopp in Mainz aus einem potenziellen Absteiger einen Bundesliga-Aufsteiger formte, das konnte nur mit Zauberkräften zu tun haben. Jürgen Klopp ist fachlich wie persönlich zu einem Markenzeichen geworden.
Dabei ist der Begriff »Marke« zu einem Modewort verkommen. Eines, das nicht immer nur positiv besetzt ist. Vor allem dann, wenn Marken zu schnell aufgebaut werden, aufstrebende Charaktere medial voreilig zu einer solchen »gehypt« werden. »Die besten Marken sind die, die erfolgreich sind. Die anderen sind unglaubwürdig«, sagt DFBSportdirektor Matthias Sammer. »Erfolgreich« heißt in Sammers Duktus möglichst: Erweiterung des Briefkopfes, also Titel.
Für Klopp trifft diese Definition zu. Er ist als Marke glaubwürdig, da er erfolgreich ist. Seit der Meisterschaft 2011 auf dem Briefkopf, aber auch bereits zuvor, als er Mainz 05 aus schwieriger
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