Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
war. Und intensiver spürte als sonst, was es bedeutet, Musik zu machen: „Du kommst irgendwo hin, wo dich keiner kennt. Das hat nichts zu tun mit irgendeiner Musikindustrie, Verkäufen, Radio, Medien … egal. Du kommst da hin, spielst, gibst dein Bestes und schaffst es einfach, die Leute glücklich zu machen. Und die danken es dir, wie du dir das besser gar nicht vorstellen kannst“, sprach seine innere Stimme. Und: „Du merkst einfach, um was für einen Scheiß du dich dein ganzes Leben lang verrückt machst. Und was im Endeffekt wirklich übrig bleibt“ Das ungewohnte Schlagzeugsolo kürzlich war vielleicht schon Ausdruck dieser Erkenntnis gewesen. Abends saß man zusammen in einer Kneipe in Maputo. Mitten in der Wand war ein trauriger Zapfhahn, aus dem Bier floss. Es schmeckte fad, aber es war eben Bier. Da saßen sie und tranken, die Deutschen. Ab dem dritten Abend wurden die Preise täglich höher. So finanzierten die Complizen dem Wirt wohl seinen Laden für die kommenden drei Monate.
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Da Capo – schwieriger Neubeginn
Im Juni 1988 gingen die generalüberholten BAP mit ihrem neuen Trommler erstmals ins Studio: Brüssel, ICP Studios. Jetzt galt es. Zweieinhalb Jahre hatte es kein Lebenszeichen von BAP in Tonträgerform gegeben, Wolfgang Niedeckens
Complizen
-Ausflug hatte Anlass zu wildesten Spekulationen gegeben, und immer wieder hatten die Geier aus den Redaktionsstuben das Ende von BAP herbeipfeifen wollen. Klar, dass der Titel der neuen Platte „Da Capo“ auch ganz unterschwellig ein bisschen trotzig in den Ohren der Hörer schwingen konnte. Ätsch, wir zeigen es denen aber, jetzt noch mal mit voller Kraft von vorne! Der Major hatte dem Drängen seiner inneren Stimmen nach internationaler Popmusikbefruchtung stattgegeben und war ein Jahr lang in den USA gewesen, hatte im Haus von „Queen“-Drummer Roger Taylor gewohnt und dort quasi das ganze Album vorproduziert. Ab diesem Zeitpunkt herrschte bei BAP klare Arbeitsteilung: Heuser machte die Musik, Niedecken die Texte. Die beiden schienen damit jetzt gut zurecht zu kommen, jedenfalls war das in allen Interviews zu hören. Jürgen musste aber schnell feststellen, dass die vorproduzierten Backings eben auch komplette Schlag-zeugspuren enthielten, die er quasi als Dienstanweisung zu verstehen hatte. Da gab es keinen Platz mehr für irgendeine Interpretation. Sitz und spiel – friß oder stirb! So hatte er sich das nicht vorgestellt. In sich hineingrummelnd saß er auf seinem Hocker und spielte Figuren und Figürchen, deren nicht geringer Teil ihm nicht unerhebliche schlagzeugphilosophische Unpässlichkeit bereitete. „Was spielst du da, Zöller? So etwas Steifes spielst du doch sonst nicht?“ raunte nun seine ureigene innere Stimme ihm durch den Kopfhörer zu. Eine andere sagte, lauter: „Mach deinen Job.“ Und außerhalb des Kopfhörers hörte er andere Stimmen, die sprachen: „Ja, aber wir haben uns da doch schon ein bisschen mehr erwartet von dir …“ Was sagt man in einem solchen Fall, diplomatisch und als Neuer? „Entschuldigung, die Stücke sind so wie sie sind, und ich kann nicht mehr machen als gucken, dass ich ’nen guten Take hinkrieg“, sagt man in einem solchen Fall und frisst den Ärger weiter in sich hinein. Was wollten die alle von ihm, während sie selbst mit ihren Instrumenten kämpften? Zumindest die Herren Borg, Büchel und Boecker brauchten ein Vielfaches an Studiozeit, um ihre Parts einzuspielen. Allein Kapellmeister Heuser schien neben Wolfgang Niedecken einen Plan zu haben. Jürgen fühlte sich nicht wohl in der neuen Band, jedenfalls noch nicht. Er empfand die Atmosphäre im Studio als sehr anstrengend. Was für ein Kontrast zu den Deserteuren! Da war man voller Freude ins Studio gegangen, hatte die Apparate in die Hand genommen und mit glühendem Herzen einen abgegroovt, bis es flatterte. Und jetzt fühlte sich Jürgen von allen Seiten beobachtet. Von abwägenden, coolen Blicken, die immer wieder zu taxieren schienen: Was macht der Zöller da? Gefällt mir das oder gefällt mir das nicht? Seine Stimmung war auf dem Tiefpunkt, und dann begann plötzlich auch noch der Arm höllisch wehzutun, der Doktor diagnostizierte Tennisarm und Jürgen musste unterbrechen.
Wahrscheindlich war das alles die Strafe dafür, dass Jürgen sich dem Leibhaftigen verschrieben hatte. Aufmerksame Leser von
Musik Express/Sounds
hatten es entdeckt: Auf dem
Da Capo-Cover
sah man einen Turbo-Zöller im Superman-Kostüm über den
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