Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
BAP-Schriftzug fliegen, die rechte Hand mit ausgestrecktem kleinen und Zeigefinger in die Luft gereckt. Leserbriefe an das Musikmagazin sprachen von „Insignien von Satanskult und Backward Masking“ und der Kinder-gottesdiensthelferkreis Alswede sah die abendländisch-germanische Rock- und Pop-Kultur generell in Gefahr und frug verzweifelt: „Wenn jetzt sogar BAP auf diesem Trip sind, was wird dann erst aus Gröne-meyer und Peter Maffay?“ Balou in seiner Eigenschaft als Manager musste sich immerhin zu einem Statement herablassen, man habe bei der Covergestaltung an „alles, nur nicht an den Teufel“ gedacht.
Live aber war ganz anders als Studio, immer. Ganz extrem war der Auftritt beim „Werner-Rennen“ in der schleswig-holsteinischen Pampa, ein wahrer Härtetest vor der anstehenden, fast 50 Städte langen „Da Capo Tour“. „Is das nich’ die allde Transidstregge?“ „Nee, das iss doch die allde Transidstregge.“ Dialoge dieses Kalibers zwischen anrückenden Werner-Fans mögen da stattgefunden haben, während sie da – ab und an im Strahl erbrechend – über Hartenholm hereinbrachen. Die mit einer Nase und zwei Zähnen und hohem Rock’n’Roll-Faktor ausgestattete Comicfigur Werner hatte 1985 auf seiner Horex, dem viermotorigen Motorrad, ein Rennen gegen den Porsche von Holgi gefahren. Der Legende nach hatten die Werner-Fans Rötger Feldmann alias „Brösel“, den Zeichner dieses spätromantischen Flaschenbiertrinkers, förmlich angebettelt, dieses Rennen Wirklichkeit werden zu lassen, mit Musik. Das Umfeld des Herrn Brösel, in dem sich Menschen mit Namen wie Ölfuß schmücken konnten, ohne eine Abmahnung zu riskieren, hatte vier Jahre an der Idee geschraubt, schließlich an Horex und Porsche selbst und dann am Rahmenprogramm: 30 Bands sollten spielen, BAP darunter wohl die bekannteste.
Der 4. September 1988 begann für BAP eigentlich schon am 2. September 1988. In Stuttgart wurde „Wetten dass …“ aufgezeichnet, BAP war mit „Fortsetzung folgt“ in der Sendung. Jürgen war kaum zu sehen und darüber wohl auch nicht unfroh, hatte er sich doch mittags eine allergische Bronchitis eingefangen, die ihm aus dem frischver-legten Teppichboden des Hotels entgegengeschwebt war. Hustend, schnupfend, und vom Ausschlag gepunktet kämpfte er sich durch den Tag, der eine bisher nicht gekannte Form von Rockstar-Tum als Abschluss parat hielt. Raus aus der Show, mit Bleifuss zum Stuttgarter Flughafen, rein in den eigens bereitgestellten Learjet und ab nach Hamburg. Dort sollte eigentlich der Hubschrauber warten, der die Band abholen und direkt hinter der Bühne in Hartenholm absetzen würde. Da war aber kein Hubschrauber. Der Flughafen sah überhaupt mehr nach totem Gleis als nach Umsteigebahnhof aus. Es war nach Mitternacht, man konnte die Nerven der Musiker ticken hören, und dann das Brummen eines Automotors. „Was macht Ihr denn hier?“ fragte der schließlich dem Auto Entstiegene. „Ja, äh, wir sind BAP“, antworteten die schon länger ihrem Flugzeug Entstiegenen wahrheitsgemäß. „Wir suchen unseren Hubschrauber,“ fügten sie schnell noch an. „Hubschrauber?“ „Ja, Hubschrauber“ „Hier gibt’s keinen Hubschrauber.“ „Ja, aber wir sollten doch mit dem Hubschrauber abgeholt werden.“ „Hier gibt’s keinen Hubschrauber“, insistierte der Autopilot, „hier ist schon längst Schluss. Hier ist Nachtflugverbot. Kommt mit.“ Man ging telefonieren, Hartenholm wurde angefunkt und über den Fehlbestand in Kenntnis gesetzt. „Wie, kein Hubschrauber? Das gibt’s doch nicht, der Hubschrauber muss da sein.“ Da war wirklich kein Hubschrauber, auch wenn dieser Dialog für alle Beteiligten erst mal klang wie direkt aus einem „Werner“-Comic. Später stellte sich heraus, dass nie ein Hubschrauber gestartet war. Und wäre er denn gestartet, es hätte wenig genutzt, denn eine Landeerlaubnis für den Flugplatz in Hamburg hatte auch niemand eingeholt. Erwartungsvoll stürzten sich die Kölner auf die vorm Eingang wartenden Taxis und ernteten einen Korb nach dem anderen „Waaas? Da faaah ech nech hin“, sagte der erste, zweite, dritte. „Doaaat heeeaschd schon seid gestern der totaale Ausnahmezustand, da sind ja nuaar Wahnsinnige“ erklärten die renitenten Droschkenkutscher unisono. Den Musikern begann der Mut zu schwinden. Würden Sie Ihrer Beschallungspflicht nachkommen können? Würden Sie überhaupt auf dem Landwege durch die schwankenden Massen gelangen, die dort draußen
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