Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
die Jungs, die selbst Schlagzeug spielten, und er fand schnell einen Trick, allzu heftiger Fan-Zuneigung zu entgehen. Beim Verlassen einer Halle stellte er sich gleich hinter den Chef, und während sich die Verehrer auf den stürzten, schlüpfte er an ihm vorbei in den warmen Bus. Später, je länger er in der Band spielte, sollte er feststellen, dass die Freunde der Band auch ihn als speziellen Freund sahen. Aber es würde eine freundliche, unaufdringliche Zuneigung bleiben, meistens jedenfalls.
Jedes Jahr sorgte der Norddeutsche Rundfunk in der Weser-Ems-Halle Oldenburg für eine große Volksbelustigung mit Musik. Am 21. Oktober 1988 schlug die „Da Capo Tour“ im Rahmen dieser Veranstaltung auf. Der Name NDR Riesenfete strahlte exakt das aus, was es war: Direkt hinter der Halle kam der Zug an, aus dem die Heerscharen gut abgefüllter Rockfans ausgekippt wurden, die zuvor in Hamburg und Umgebung eingesammelt worden waren. Ebenfalls in Sichtweite der Halle war das Hotel, in dem die Bands logierten. Jürgen stieg in den Aufzug, ein auf den ersten Blick unscheinbarer Mann kam ihm entgegen. Das war doch? Argh! Huch! Jeff Porcaro, der „Toto“-Drummer, der Drummer aller Drummer, der Meister aller Klassen, das Tier mit dem eingebauten Groove … also quasi ein Idol. Da konnte der weitgereiste und sturmerprobte Jürgen Zöller noch so cool sein, das war nun dann doch der Hauch des Schicksals. Kurzum, Gott persönlich. Na gut, dann eben Gott persönlich. „Hi, my name is Jürgen Zöller, I’m playing in the band … that’s on after you.“ Ich spiele in der Band, die nach euch spielt, sagte er. Vielleicht sagte er nicht „on top of the bill“, obwohl es ja so war. Aber in dem Moment, in dem er sich vorstellte, wurde ihm bewusst: Gott spielt quasi in meiner Vorgruppe. Ging das? Das ging, ganz nüchtern betrachtet. Die Amerikaner wussten das, da zählten nur Fakten, nüchterne Verkaufszahlen also, und da lagen BAP in der Publikumsgunst nun einmal vor Toto. Das wurde ganz professionell respektiert. Und doch fühlte sich Jürgen auch in diesem Moment nicht als Rockstar, sondern als Musiker. Ähnlich wie damals in den Frankfurter Clubs in den 60er Jahren. Da stand wieder mal einer, von dem man was lernen konnte, den man bewunderte – als Kollege. „Ich hab dich schon mal gesehen, in Frankfurt im
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als ihr für euer erstes Album auf Promotion-Tour wart. Da wart ihr mit einem von der Plattenfirma in der Kneipe, in der ich Platten aufgelegt habe.“ Puh, geschafft. „Das ist aber schon lange her“, grinste Porcaro und damit war das Eis gebrochen und er schlug vor: „Komm’, lass uns einen Joint rauchen gehen.“ Auf dem Zimmer angekommen gab es neben der angekündigten Inspirationszigarette wieder ganz neue und spannende Informationen zu einem der wichtigsten Themen der Welt – zumindest der Parallelwelt aller Schlagzeuger. Einem Thema, von dem nur auserlesene Ottonormalradiohörer auch nur im Ansatz ahnen können, dass es eines der wichtigsten Themen der Welt ist. Das Thema aber lautet: Wie um Himmels willen ist diese Schlagzeugfigur von „Rosanna“ entstanden? „Das ist alles geklaut,“ grinste Porcaro offenherzig. „Von Bernard Purdie und John Bonham. Eine Mischung von beiden.“ Am nächsten Tag stand er beim BAP-Auftritt neben der Bühne und feuerte Jürgen an: „Yeah, Motherfucker!“ Es war der Beginn einer leider nur kurzen Freundschaft, bis zu Jeff Porcaros Tod im Jahr 1992. Immer, wenn Toto in Deutschland war, rief Jeff den „motherfucker“ an. Bei einem Konzert in der Kölner Sporthalle machte er Jürgen vorneweg die Ansage: „Schnapp dir nach der letzten Nummer ein Tamburin und spiel mit“ Danny Diaz, ein Freund des Toto-Clans und vormals Gitarrist bei Steely Dan, nahm ihn mit auf die Bühne. Zusammen spielten sie „Chain Lightning“ von Steely Dan und „I wanna take you higher“ von Sly & The Familiy Stone. Herr Zöller schwebte funkensprühend durchs musikalische Wolkenkuckucksheim. Konnte es noch besser kommen? Einerseits. Dass er dennoch in diesen Minuten orgiastischer Tamburinbearbeitung durchaus noch körperlich anwesend war, fiel ihm – andererseits – auf, als er nach dem Ende der sportlich-musikalisch-spiritistischen Misch-Darbietung eine Blutblase bisher nicht bekannten Ausmaßes an seiner Hand bemerkte.
Nebenbei belegte Jürgen 1988 beim Leserpoll des „Fachblatt Musikmagazin“ (des Zentralorgans der Musikerpolizei) in der Sparte „Bester Drummer national“ den
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