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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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zweiten Platz. Hinter Curt Cress übrigens, der bekanntlich auf
Ahl Männer, aalglatt
getrommelt hatte. Ironie und Schicksal.
    Man schlich ins Hotel wie ein Fernsehkommisar, der gerade in eine Wohnung eingedrungen ist, auf der Suche nach dem Verdächtigen. Leise. Immer auf der Hut. Da vorne saß sie, die genormte weibliche Ausgabe des Zerberus aus den Restbeständen des KGB. Auf jedem Stockwerk eine, in diesem protzigen Kasten von Hotel direkt am Roten Platz. Ihr Reich war ein viereckiger Kasten, der aussah wie ein abgeschnittenes Zollhäuschen. Hier hielt sie Wache, als wolle sie gleich den Pass sehen, und alle ankommenden Gäste barsch auffordern, doch bitte das linke Ohr etwas freizumachen. Sie war das lebende Stoppschild, die Stockwerksmacht, der Flurgeheimdienst. Gäste schienen eher zu stören im
Hotel Rossija
am Roten Platz im diesem Mai 1989. BAP war auf Tour in der Gerade-noch-Sowjetunion und auf jedem Stockwerk war eine Stockwerksmacht installiert. Die auch darüber wachte, dass man niemanden mitbrachte. Es wurde nicht besser, wenn man seine Zimmertür hinter sich abgeschlossen hatte und die Decke anstarrte. Der Gedanke schlich ums Bett, die Wand hinauf an der Decke entlang und wieder zurück in den Kopf: „Werde ich hier gerade gefilmt?“ Eine merkwürdige Stimmung herrschte in dieser russischen Woche gegen Ende der „Da Capo Tour“. Nichts klappte in diesem Hotel, das ein Kosmos für sich war. Vereinbarte Busse standen nicht da, wohin sie bestellt waren. Ostflügel? Njet. Vielleicht am Nordflügel? Njet. Vielleicht kam überhaupt kein Bus. Warten bis zur Erkenntnis: Ganz sicher kommt kein Bus. Vom Himmel kam dafür Brackwasser, das direkt ins Gemüt einzusickern drohe. Helfen können hätte allenfalls ein Anruf zu Hause. Wie aber das bewerkstelligen? Um 10 Uhr morgens anmelden. Also gut. „Ich möchte nach Deutschland telefonieren.“ „Wann?“ „Jetzt!“ „Heute Abend um 19 Uhr können Sie.“ „Ist das auch sicher?“ Keine Antwort war zu erwarten von der verdienten Rezeption der Stadt Rossija. Abends kam tatsächlich nach zehn Minuten eine Verbindung zustande, und man konnte seine eigene Stimme auf dem Anrufbeantworter hören. Draußen ging es gerade so weiter, „Goskonzert“, die Organisatoren im Gastgeberland, hatten Plakate kleben weitestgehend unterlassen. Dementsprechend wenig berauschend waren die Besucherzahlen der insgesamt fünf Konzerte in Moskau und Stalin- heute Wolgograd.
    Lichtblick der Konzerte waren die After Show-Festlichkeiten: Mit den Herren von „Brigade S“. Die Band war der einheimische Champion, und Igor, der Sänger, setzte Abend für Abend die Bühne in Brand, ganz ohne Pyrotechnik. Das waren richtig erstklassige Kumpels, mit denen man das unternehmen konnte, was man in einem Hotel eben tun kann, in dem es auf jedem Stock eine Stockwerksmacht gibt. Die Russen brachten den Wodka, die Deutschen das Bier. Je mehr es von beidem gab, desto besser lief die Kommunikation. Englisch, Deutsch und Zeichensprache. Bis alle sich auf „drushba“ verständigten und sich gegenseitig in den Rang eines „towarisch“ erhoben. Sie liebten sich. In diesen Nächten brannte die Euphorie. Ziemlich schockiert war Jürgen allerdings, als der Trommler dieser sowjetischen Top-Band fragte, ob er ihm seine kaputten Drumsticks abkaufen könnte. Das Gefühl, das ihn bei dieser ernst gemeinten Frage beschlich, war im Kleinen das, was er in dieser ganzen Woche durchgehend empfand: Was war das für ein Land? Was war hier geschehen? Da stand eine alte Mühle, drei Jahre umkämpft und völlig durchsiebt. Löcher als Menetekel. Da war das Museum mit der Reliefdarstellung der Schlacht von Stalingrad. Alle paar hundert Meter ein Denkmal, das an den sowjetischen Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“ erinnerte. Und hier liefen graue, triste, kranke Menschen durch die Straßen. In Moskau standen Hunderte im Kaufhaus Gum, in zweifelnder Erwartung von Büstenhaltern. Oder in Erwartung von irgendwas. Irgendwas würde es ja vielleicht geben, Kaviar vielleicht. Ja, Erwin Bach war im BAP-Tross dabei, Gatte von Tina Turner. Auf der Suche nach Kaviar. Die Band hatte einen Fan aus der DDR kennen gelernt, der sich ziemlich gut auskannte. Als der erzählte, er sei in einem Monat dreimal überfallen worden, war nicht nur Jürgen froh, dass diese Tour schnell endete.
    10. Juni 1989 – das war der Tag, an dem BAP offiziell zehn Jahre alt wurde. Schon 1976 hatte eine Band angefangen, „pro Woche einen

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