Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
hatte gleichzeitig auch das Gefühl, mit der Click-Track-Aktion seinem Ziel etwas näher gekommen zu sein: sich bei den Skeptikern in der Band etwas mehr Respekt zu verschaffen. Ernüchternd war dann allerdings das Anhören des fertigen Produktes: Ein zusammengedrückter Sound, das Schlagzeug wie eine Grundausstattung aus Omo-Eimern. Flache Gitarren und überhaupt alles sehr steril. Affrocke? Von wegen. Die halbe Million begeisterter Fans, die am Ende diese Tour – inklusive Open Air Festivals – gesehen hatte, hatte ein ganz anderes Konzert gehört, als das auf der Doppel-CD festgehaltene.
Es war die erfolgreichste BAP-Tour aller Zeiten. Die Produktion konnte klotzen, dank Sponsor leistete man sich eine Riesenbühne und zusätzliche Sängerinnen, Karen Schweizer-Faust und Renate Otta waren wieder dabei. Julian Dawson trat im Vorprogramm auf, und spielte auch im regulären mit. Eines Tages hatte Wolfgang Niedecken zudem Roadie Kalau unvermittelt überfallen: „Hör mal, du spielst doch Trompete, und wir bräuchten so hie und da Saxophon, das wär doch mal gar nicht schlecht.“ Das mit der Trompete stimmte, aber die Trompete war auch das einzige Instrument, dass der Kalau wirklich gelernt hatte, und sie war deswegen immer noch kein Saxophon. Okay, er konnte so nebenbei noch Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussion. Aber Saxophon? „Okay“, sagte der Kalau und begab sich in sein Kämmerchen, tat sich mit dem Schmal zusammen, denn der konnte schon ein bisschen Saxophon, und so gingen sie hin, um die Bläsersection darzustellen für das immer wiederkehrende Riff in „Drei Wünsch’ frei“. Das drang fortan Tag für Tag schon vorm Soundcheck aus den Umkleiden: Blechernes Dadadarraaada Dada-daraada … Man konnte ihnen nicht entkommen. Nicht in der Garderobe, nicht in den Katakomben. Und wie schief und hölzern sie ihr Blech malträtierten. Auf der Bühne war alles ein großer Spaß für Jürgen. Das Publikum trug ihn, das Publikum war der Chef, der Arbeitgeber, der Adrenalinspender. Sex mit Zehntausend.
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Die Spaßgesellschaft: Mit Geldof und Stewart open air
Im Juni 1991 ging die
X für e’ U
-Tour in ihre Open-Air-Phase über. Und was für Open Airs das waren. Als hätte sie Herr Zöller höchstpersönlich erfunden: Bei gutem Wetter eine Huldigung dem Rock’n’Roll entsenden, vorher und nachher mit den Horden reisender Irrer mit Instrumenten hinter der Bühne ins Gespräch kommen, aus Fortbildungsgründen, versteht sich. Zu beobachten gab es auf dieser Tour zudem die Mutation erwachsener Männer aus dem Vereinigten Königreich zu pubertierenden Knaben. Wieder einmal spielten Weltstars im Vorprogramm der kölschen Kapelle: „Bob Geldof & The Vegetarians Of Love“ und „Dave Stewart & The Spiritual Cowboys“, und ließen sich dann sogar noch im BAP’schen Zugabenmarathon sehen und hören. Dave und Bob standen vom ersten Tag am Bühnenrand und warteten, bis BAP „Heroes“ von David Bowie spielten. Dave Stewart musste da einfach mitsingen, ehrenhalber. „What’s next“ wollte er alsbald wissen, und als man ihm bestellte, nach zwei weiteren eigenen Stücken sei dann „Rockin all over the World“ von John Fogerty in einer „Status Quo“-nahen Version dran, da packte ihn erneut der Drang. Sein Roadie durfte das ganze Gitarrenequipment wieder auspacken und Stewart stand wieder auf der Bühne: „And I like it, I like it, I like it … Here we go, rockin’ all over the world!“ So lief das auf der gesamten Festivaltour: Dave Stewart spielte um vier Uhr nachmittags, BAP kam frühestens um halb zwölf in die Zugabenrunde. Und dann kam Dave, cool wie Stewart, aber immer strack wie Natter und schrie es hinaus in die Nacht: „Yeah, and I would be King and you, you would be my Queen“.
Sie bemühten sich redlich, nicht nur seltsame Bandnamen zu haben, sondern auch seltsam auszusehen: Dave Stewart und seine Jungs zeigten ihre Neigung zu obskurer Gesichtsbehaarung mit Bärtchen und Kotelettchen. Eine Woche später kreuzte die Band von Bob Geldof ebenfalls mit Bärtchen und Kotelettchen auf. Schließlich, in Leipzig, kam die ganze Dave Stewart Band mit Ganzkörper-Obst-und Gemüsekostümen auf die Bühne. Da schauten die Vegetarians of Love aber irritiert. Während Geldof spielte, marschierten die Kollegen als Karotte, Erdbeere und Salatkopp über die Bühne. Der Festivaltross kam am 29. Juni 1991 in Schweinfurt an, und nicht nur Jürgen war gespannt, was nun passieren würde. Im Backstage-Bereich
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