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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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warten ab, ob die Inspiration kommt, vielleicht haben wir dann ja in sechs Wochen einen.“ Aber trotzdem gab es kein Stück, das schon zu Probenbeginn eine endgültige Form gehabt hätte. Die Vorarbeit war eigentlich genauso gelaufen wie in den Jahren zuvor: Major brachte seine Sachen als Demo, Wolfgang hatte mit Effendi und Niki Nikitakis vorgearbeitet, einem griechischen Gitarristen, der kölscher war als jeder Kölner. Ein guter Bluesgitarrist, der irgendwann später Joey Kellys Gitarrenlehrer werden sollte. Die Band bezog ihr Domizil in der unmittelbaren Umgebung des Studios. Wolfgang wohnte in einem Häuschen und teilte sich mit Effendi eine Etage, alle anderen logierten über dem Studio 1 in einer großen Wohnung, Jürgen im Parterre, direkt neben Küche und Studio. Dort gab es auch einen riesigen Aufenthaltsraum mit Blick auf die Zugspitze.
    Die Idee war, sich näher zu kommen, indem man die ganze Zeit zusammen war und auch nahe beieinander wohnte. Zudem hatte sich die Firma BAP auch noch darauf eingelassen, den beiden österreichischen Pop-Chefdokumentarprofessoren Dolezal und Rossa-cher durchgehenden access to all areas zu gewähren. Sie filmten alles und dokumentierten damit für das Video „Mit offenen Karten“ die bandinternen chemischen Vorgänge. „Wenn wir erst mal losgelegt haben, dann haben wir sehr viel Spaß. Wir hatten jetzt zwei Jahre Pause und es ist ganz klar – man sieht sich nicht so oft, man entfremdet sich ein bisschen, man lebt sein eigenes Leben, und dann dauert es wieder einen Moment, bis man wieder zueinander findet“, sagte Jürgen vor laufender Kamera. Andere sagten anderes. Steve Borg erklärte: „Wir sind ja nicht alles Freunde, die jeden Abend in der Kneipe zusammensitzen, das weiß ja inzwischen auch jeder. Da gibt es Kontakte. Den einen sieht man öfter, den anderen nicht so oft“ Schmal verkündete: „Jetzt geht es darum, diese Chemie wieder herzustellen, das ist nicht so einfach. Ich denke, da haben wir die größten Probleme mit. Dass man die ganzen Vorurteile, die sich in den zwei Jahren entwickelt haben, dass die auch mal wieder ins rechte Licht gerückt werden.“ Und dann sagte er noch: „Fraktionsbildungen? Ja, sicherlich gibt es da Fraktionen.“ Wolfgang Niedeckens Statement verband aufs schönste Realismus und Diplomatie: „Ich weiß immer genau, wer auf Depri macht, und wer auf himmelhochjauchzend: das wird alles super. Aber das ist die Chemie der Band, das wär’ nicht BAP, wenn das irgendwann mal anders wäre. Ich hätt’ zwar gerne drauf verzichtet, aber das wird wohl immer so sein müssen.“
    Die Rhythmussection konnte Jürgen jedenfalls in diesen Wochen beim besten Willen nicht als Fraktion empfinden. Er spielte nach vorne, machte Angebote, probierte dies und jenes. Was man eben von ihm verlangte. Es war anders als vorher, besser, einerseits. Alles wurde gleich auf zwei Spuren aufgenommen, kontrolliert. Als es ans Aufnehmen ging, fing er morgens um zehn Uhr an, trommelte ein bis zwei Stunden pro Stück, ein Stück jeden Tag. Das Prinzip war: zusammen aufnehmen, die Schlagzeugspur blieb stehen, alles andere wurde dann dahinter neu hochgezogen. Andererseits … Steve Borg saß wissenschaftlich auf seinem Stühlchen, drehte Jürgen den Rücken zu und unterhielt sich mit dem Major. Na super. Jürgen überlegte, ob er diesen Typen mit einem Drumstick von hinten anbohren sollte. Als Ankündigung weitergehender Aufmerksamkeiten. Bis der ruhige Herr der Regler, Phil Delire, urplötzlich und ganz ruhig sagte: „Eh, Stefan. Ei sink it’s bettör wenn ju luk at de drummör wenn ju plei.“ Das immerhin verunsicherte den Bassisten zutiefst. Jürgen sah ihm an, wie peinlich berührt er war. Aber eine offene Diskussion? Nie. Er fühlte ein tiefes Unbehagen, dieses unangenehme Gefühl, das einen beschleicht, wenn man merkt: An meinem Arbeitsplatz ist etwas ziemlich schräg, ich kann’s nur niemanden sagen. Mein Gott, was hatte dieser Mensch schon für eine Körpersprache. Jedenfalls nicht die eines Bassisten. Ein Bassist musste sich bewegen und Zeichen geben, wo er den Schwerpunkt setzte im Groove, da musste man ja doch gemeinsam hin. Nur dann konnte es abgehen. Aber hier ging nichts ab. Jürgen wunderte sich, wie lange sein Kollege am Bass für seine Spuren beim Aufnehmen dann noch brauchte. Sechs, sieben, acht Stunden pro Stück. Früher, bei den Produktionen in Wien mit Christian Kolonovits, musste man in drei Tagen zwischen zwölf und fünfzehn Nummern

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