Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
Sam sah aus, als schliefe er. In einem Meer aus Blut.
Blind vor Tränen beugte sie sich über ihn und gab ihm einen Kuss. Sie schluchzte.
„Viv.“
Ghalebs warnender Ton ließ sie zusammenschrecken. Schnell griff sie nach dem Beutel mit Kochsalzlösung und der Kanüle. Mit zusammengebissenen Zähnen legte sie Sam einen Zugang und schloss die Infusion an.
Währenddessen untersuchte Ghaleb den Jungen, wobei er sich besonders auf den neurologischen Status konzentrierte. Schließlich wandte er sich an Viv. „Abgesehen davon, dass er immer noch bewusstlos ist, scheint es ihm gut zu gehen. Es gibt keine Anzeichen für eine Hirnblutung. Ich vermute, er hat nur eine schwere Gehirnerschütterung.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Der Rettungshubschrauber wird gleich hier sein. In der Klinik machen wir dann ein MRT und ein CT. In der Zwischenzeit sorgen wir dafür, dass er stabil bleibt. Du hältst ihn warm, und ich nähe schon mal die Kopfwunde.“
„Nein, das mache ich …“
Zärtlich strich er ihr über die Wange, doch seine Stimme war unerbittlich. „Nein, Viv. Ich werde es machen. Für euch beide.“
Unsicher blickte sie auf. Was sie in Ghalebs Augen sah, versetzte ihr einen Stich.
Liebe. Er liebte Sam. Obwohl er glaubte, Sam sei das Kind eines anderen Mannes, liebte er ihn. Er war ein besserer Mensch, ein besserer Vater, als sie es jemals für möglich gehalten hätte.
Mit Tränen in den Augen nickte sie zustimmend.
Eine Minute später hatte sie Sam in eine Rettungsdecke gewickelt und beobachtete Ghaleb dabei, wie er die Kopfwunde mit einer sauberen Naht verschloss. Immer wieder wanderte ihr Blick zu Sams Gesicht.
Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. „Was hätte ich nur ohne dich getan?“
Über Sam hinweg zog Ghaleb sie an sich und lehnte die Stirn an ihre. „Über diese Frage müssen wir nicht nachdenken, ya rohi . Du wirst nie wieder ohne mich sein.“
„Er ist bald wieder gesund, Viv.“ Ghaleb legte den Arm um sie. Seite an Seite standen sie neben Sams Krankenbett auf der Intensivstation. Schon auf dem Weg in die Klinik hatte Sam das Bewusstsein wiedererlangt, doch er war noch ein wenig verwirrt gewesen und konnte sich nicht an die Einzelheiten des Unfalls erinnern. Posttraumatische Amnesie. Zahlreiche Tests hatten Ghalebs Diagnose bestätigt: Sam hatte eine schwere Gehirnerschütterung. In wenigen Tagen würde es ihm besser gehen.
Viv antwortete nicht, sondern lehnte sich einfach nur an Ghaleb, ließ sich von ihm festhalten und beschützen.
„Wir bleiben heute Nacht im Krankenhaus, Viv. Ich lasse für Anna den Raum nebenan herrichten. Am besten legst du dich zu Sam ins Bett, bis ich wieder da bin.“
Mit Tränen in den Augen nickte sie. Besorgt sah er sie an und zog sie dann in seine Arme, um sie zu küssen. Und um ihr Trost und Kraft zu geben. Er würde ihr – und Sam – alles geben. Selbst sein Leben.
Mit einer einzigen Bewegung hob er sie hoch und bettete sie neben Sam. Dann küsste er Mutter und Sohn. Seine Familie. Noch immer konnte Ghaleb es kaum fassen, wie sein Leben sich verändert hatte, seitdem er mit Viv zusammen war. Nicht nur die leidenschaftlichen Nächte verbanden sie – er schätzte ihre Klugheit und ihre Gelassenheit. Sie war einfach perfekt. Und Sam war genau der Sohn, den er sich immer gewünscht hatte.
Fast fühlte er sich, als hätte er es nicht verdient, mit Viv und Sam glücklich zu sein.
In diesem Augenblick fasste er einen Entschluss.
Er hatte sie wirklich nicht verdient.
Noch nicht.
Entsetzt starrte Viv auf die Zeitung in ihren zitternden Händen. Immer wieder las sie die Schlagzeilen.
Staatshochzeit des Kronprinzen steht unmittelbar bevor – Braut stimmt allen Vereinbarungen zu – Friedensverhandlungen werden unmittelbar nach der Trauung aufgenommen – Die Heirat bringt der gesamten Region endlich Frieden und Stabilität.
Es war vorbei. Sie konnte und durfte sich nicht länger etwas vormachen.
Sie würde ihn wieder verlieren. Diesmal für immer.
Doch sie würde es akzeptieren. Schließlich hatte Ghaleb es selbst gesagt: Seine Pflichten waren wichtiger als sie und seine Gefühle.
Aber er liebt mich! protestierte eine Stimme in ihrem Innern.
Früher war er nie so offen gewesen, hatte nie Bemerkungen fallen lassen, die eine gemeinsame Zukunft andeuteten.
Du wirst nie wieder ohne mich sein.
Vermutlich war es nur die emotionale Ausnahmesituation gewesen, die ihn zu dieser Aussage verleitet hatte. Selbst wenn er es ernst
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