Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
Marmorwaschbecken. Als sie sich aufrichtete und ihr Spiegelbild erblickte, schnappte sie entsetzt nach Luft.
So hatte sie in der schlimmsten Zeit ihres Lebens ausgesehen. Nachdem Ghaleb sie benutzt und fallengelassen hatte. Sie erkannte den Ausdruck von Verletzlichkeit und Niedergeschlagenheit wieder, der damals ihr ständiger Begleiter gewesen war.
Wut stieg in ihr auf. Wut und Scham darüber, dass sie es zuließ, sich erneut so unsicher und schlecht zu fühlen.
Sie würde nicht zulassen, diesen Gefühlen nachzugeben. Und erst recht würde sie es nicht erlauben, dass Ghaleb sich wieder in ihr Herz schlich.
Verflixt – die starke Wirkung, die er auf sie hatte, ließ sich nur leider nicht leugnen. Es war fast schlimmer als früher. Seine Gegenwart hatte ihr so schwer zugesetzt, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben während einer Operation nach einem Stuhl verlangt hatte.
Einen positiven Aspekt gab es allerdings doch zu verzeichnen: Offensichtlich hatte sie Ghalebs Test bestanden. Und zwar mit Bravour. Auch wenn sie zwischendurch befürchtet hatte, unter seinem prüfenden Blick zusammenzubrechen.
Eines war Viv heute überdeutlich klar geworden: Zu glauben, dass das Wiedersehen mit ihm ihr die Entscheidung leichter machen würde, hatte sich als Trugschluss erwiesen.
Aber jetzt war nicht der richtige Moment für düstere Gedanken. Sie war völlig übermüdet und hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Nach einem erholsamen Nachtschlaf würde morgen alles anders aussehen.
Erst auf dem Weg nach draußen wurde ihr der Luxus bewusst, mit dem das Gebäude ausgestattet war: Marmorböden, riesige Blumenarrangements, exquisite Möbel. Gleichzeitig verfügte die Klinik über einen medizinischen Standard, wie Viv ihn noch nie erlebt hatte. Auch das Haus, in dem sie und ihre Familie für die kommenden zwei Monate untergebracht waren, hatte Anna und Sam zu wahren Begeisterungsstürmen hingerissen.
Vielleicht sollte sie den Aufenthalt hier einfach zu genießen versuchen, wie eine Art Abenteuer in Tausendundeiner Nacht. Ja, das war eine gute Idee.
Mit leichten Schritten verließ sie das Gebäude durch die automatischen Türen – und stieß fast mit einem Mann zusammen.
Ghaleb. Viv erstarrte.
Ohne Umschweife erklärte er: „Selbstverständlich steht dir für deinen Aufenthalt hier ein Fahrer zur Verfügung. Er ist rund um die Uhr für dich da. Als Erstes wird er dich jetzt nach Hause fahren. Schaffst du es, dich innerhalb einer Stunde fertig zu machen?“
Verwirrt sah Viv ihn an. Was wollte er von ihr? „Fertig machen? Wofür?“
„Für unser Arbeitsessen. Um Punkt viertel nach acht geht es los.“ Noch ehe sie etwas erwidern konnte, hatte er sich umgedreht und ging davon. Bevor er um die Ecke bog, wandte er sich noch einmal kurz um. „Sei bitte pünktlich!“
3. KAPITEL
Sei bitte pünktlich.
Der Befehl hallte in Vivs Gedanken nach. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Wie konnte er es wagen, sie so herumzukommandieren? Und wieso ging er wie selbstverständlich davon aus, dass sie seinen Anweisungen Folge leisten würde?
Andererseits – was konnte man von einem Despoten auch anderes erwarten? Er gab sich zwar gern wohlwollend, tolerant und fortschrittlich, aber im Grunde unterschied er sich nicht von seinen tyrannischen, dekadenten Vorfahren, die noch mit einem Schwert in der Hand durch die Wüste geritten waren.
Gut. Genug gejammert . Sie sollte sich auf andere Dinge konzentrieren. Zum Beispiel auf Jobail, die traumhafte Stadt, durch die sie gerade chauffiert wurde.
Doch Ghaleb ging ihr nicht aus dem Kopf.
Ihre mühsam erarbeitete Selbstbeherrschung hatte er in Sekunden zerstört. Durch seine bloße Anwesenheit. Eine einzige Begegnung mit ihm hatte gereicht, um sie völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Viv schloss die Augen. Sie sollte das bevorstehende Dinner nicht als Niederlage betrachten, sondern vielmehr als eine gute Gelegenheit, ihren Plan umzusetzen. Nach diesem Abend würde es ihr vielleicht leichter fallen, endlich eine Entscheidung wegen Sam zu treffen.
Zufrieden lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück. Als sie die Augen wieder aufschlug, hielt der Chauffeur bereits vor der Auffahrt des Hauses, das Ghaleb ihr überlassen hatte. Die Villa lag inmitten eines riesigen, parkähnlichen Gartens am Ende einer von Palmen gesäumten Stichstraße. Mindestens dreißig Personen fänden mühelos in dem Haus Platz. In der Abenddämmerung sah es noch eindrucksvoller aus als am Morgen.
Ein Pförtner
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