Julia Ärzte zum Verlieben Band 37
dachte ich nicht darüber nach, weshalb du nicht mit mir gearbeitet hast, doch jetzt ist mir klar, dass du mich schlicht für unfähig gehalten hast. Du hast mich gar nicht wegen meiner beruflichen Fähigkeiten ausgewählt.“
Wieder ein Volltreffer genau ins Schwarze. Ein neues, für ihn unbekanntes Gefühl beschlich Ghaleb.
Scham. Er schämte sich dafür, dass er sich von seinen Vorurteilen hatte leiten lassen. Und für das Unrecht, das er ihr damit angetan hatte.
Gab es noch etwas, was er übersehen, wo er einen entscheidenden Fehler gemacht hatte?
Nein. Er war sich sicher.
Ghaleb holte tief Luft. „Ich gebe zu, dass ich mich im Hinblick auf deine Fähigkeiten geirrt habe.“
Nach kurzem Zögern fuhr er fort: „Und dass ich dich aus unlauteren Gründen eingestellt habe. Es war natürlich unverzeihlich, eine intime Beziehung anzufangen. Äußerst unprofessionell. Von da an lief alles aus dem Ruder.“
Sie seufzte. „Wir hatten doch gar keine richtige Beziehung. Du hast genommen, was ich dir anbot, und bist verschwunden, als du genug von mir hattest.“ Klang da Bitterkeit aus ihren Worten? Oder ein Vorwurf? Doch ihre Stimme war fest. Ihre nächsten Worte bestätigten seinen Eindruck, dass sie in diesem Punkt leidenschaftslos war. „Auch dafür mache ich dich nicht verantwortlich. Es war meine eigene Schuld. Genau wie der berufliche Rückschlag, der darauf folgte.“
Die Sachlichkeit, mit der sie sprach, ließ ihn erstarren. War dies der endgültige Beweis dafür, dass er ihr nichts bedeutet hatte? Er wartete auf weitere Erklärungen, doch für Viv schien das Thema beendet zu sein.
„Nachdem du fort warst, habe ich die verlorene Zeit wieder wettgemacht“, lautete ihre abschließende Bemerkung.
„Um den Job hier habe ich mich beworben, weil ich über die nötige Qualifikation dafür verfüge. Aufgrund unserer gemeinsamen Vergangenheit rechnete ich trotzdem nicht damit, dass du mich einstellen würdest. In Gedanken spielte ich verschiedene Szenarien durch.“
War sie wirklich derart abgeklärt? Oder war sie in der Vergangenheit so schwer verletzt worden, dass sie es nicht riskieren konnte, ihren Gefühlen je wieder zu trauen? Er musste es herausfinden.
„Welche Szenarien?“
„Zunächst einmal, dass du mich aufgrund meiner Fähigkeiten einstellen würdest, ohne dir darüber klar zu sein, dass ich es bin. In diesem Fall hätte ich mit einer baldigen Entlassung gerechnet. Andererseits war es natürlich auch möglich, dass du dich weder an meinen Namen noch an mein Gesicht erinnerst und mich völlig unvoreingenommen behandelst.“
„Ich könnte dich niemals vergessen“, brachte er rau hervor. „Ich kann mich noch an alles erinnern. Welche Uni du besucht hast, wo du gewohnt hast …“
Er verstummte. Im Grunde wusste er nichts weiter über sie. Zumindest keine harten Fakten. Aber er kannte sie – ihr Lieblingsessen, ihre Lieblingsmusik, ihre Begeisterung für Bücher, ihre Vorliebe für alte Filme und weitere tausend Kleinigkeiten, angefangen bei ihrer bevorzugten Zahnpasta-Sorte bis hin zu der Art, wie sie ihren Kaffee trank. Und natürlich kannte er ihre intimen Wünsche. Er wusste genau, wie und wo sie berührt werden wollte, was er tun musste, damit sie ihn anflehte, nicht aufzuhören, und was ihr eine solche Lust bereitete, dass sie vor Verlangen stöhnte. Doch über ihr tägliches Leben und ihre Vergangenheit wusste er fast nichts. Nicht einmal ihr Alter konnte er mit Sicherheit sagen.
Bekümmert sah sie ihn an. „Siehst du? Mehr weißt du nicht. Und es ist auch nicht mehr wichtig. Keines der Szenarien ist eingetreten, denn du hast die Stellensuche Adnan übertragen und erst als ich vor dir stand bemerkt, wen ihr da eingestellt habt. Nun frage ich mich, weshalb du mich nicht postwendend wieder weggeschickt hast. Entweder bist du neugierig auf mich, oder du bist sehr professionell. Ich tippe auf Ersteres.“
Wieder lag sie genau richtig.
Abrupt lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung. „Ich denke, wir haben jetzt lange genug über meine damaligen und gegenwärtigen Motive und Handlungen diskutiert. Wie wäre es, wenn wir uns jetzt mal deine vornehmen?“
Mit undurchdringlicher Miene erwiderte sie: „Da gibt es nichts zu analysieren. Ich war früher einfach zu naiv. Und jetzt bin ich ausschließlich aus beruflichen Gründen hier.“
„Falls das wirklich so ist, warum fällt es dir dann so schwer zu glauben, dass es auch mir nur um die Arbeit geht?“
Sie nickte zögernd.
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