Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
anzugucken, wie er diese hässliche, klaffende Schnittwunde an ihrem Arm zusammenflickte? Ohne jede Betäubung?
Beide trugen inzwischen eine Mundschutzmaske. Das war das Erste, wofür Jet gesorgt hatte, sobald er den Strand wieder erreicht und den Inhalt seines Anzugs ausgepackt hatte. Nur für den Fall, dass sie plötzlich von einer Aschewolke eingehüllt wurden. Jet war es gewohnt, mit Leuten zusammen zu sein, die Masken trugen. Zudem kannte er solche seltsamen Lichtverhältnisse, die durch Explosionen, Rauch und Ähnliches verursacht wurden.
Becca hingegen war noch nie in einem Kriegsgebiet gewesen. Für sie war es sicherlich eine völlig neue Erfahrung, verletzt an einem Strand mitten im Niemandsland zu hocken. Beleuchtet von glühender Lava, fröstelnd vor Kälte und vielleicht auch Angst. Trotzdem hielt sie ihren Arm ruhig über seinem Knie, damit er ihre Wunde versorgte.
Jet brummte anerkennend. „Du bist ganz schön tough, oder?“
Sie zuckte die Achseln. „Wenn’s sein muss.“
Es tat bestimmt weh, als er die Nadel tief genug einstach, um die Wundränder zu betäuben. Als Becca schmerzlich das Gesicht verzog, konnte Jet es selbst spüren. Natürlich empfand er Mitgefühl für Patienten, wenn er ihnen Schmerzen zufügte, aber das hier fühlte sich anders an. Gar nicht schön. Deshalb wollte er die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Und die Handschuhe trug er zu ihrem Schutz, nicht zu seinem.
Während er darauf wartete, dass die örtliche Betäubung wirkte, suchte Jet das Verbandszeug heraus, das er brauchte. Außerdem noch das Nahtmaterial und ein paar kleine Beutel mit Kochsalzlösung. Er riss den ersten Beutel an einer Ecke auf und kippte die sterile Flüssigkeit auf die Wunde. Becca schnappte nach Luft.
„Wohl noch nicht ganz betäubt, oder?“, meinte Jet.
„Schon gut“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Mach einfach weiter. Wir müssen weg hier.“ Nach einer Pause fragte sie zögernd: „Glaubst du, wir finden die Naturschutzstation?“
„Wir sollten es jedenfalls versuchen“, erwiderte er. „Wir haben schließlich nichts Besseres zu tun, richtig? Was weißt du über den Vulkan?“
Er ließ den Inhalt des zweiten Beutels über die Wunde laufen und drehte behutsam Beccas Arm, sodass die Flüssigkeit abfließen konnte.
„In welcher Hinsicht?“
„Ich wüsste zum Beispiel gerne, wie viel Krater er hat und ob darin Seen waren.“ Nachdem er die Wunde so gut es ging gesäubert hatte, tupfte Jet sie mit etwas Verbandsmull trocken. Dann riss er das Päckchen mit der gebogenen chirurgischen Nadel und dem dazugehörigen Faden auf. Da die Wunde wieder leicht zu bluten begann, entschied er sich dafür, zunächst ein paar tiefe Stiche zu machen, ehe er die Wundränder schloss.
Als er sich mit der Nadel näherte, wandte Becca den Blick ab. „Ist es ein Unterschied, ob es Kraterseen gibt?“
„Kann schon sein. Seen bedeuten Schlamm- und Schuttströme, die großen Schaden anrichten können. Sie bewegen sich schneller, als jeder Mensch laufen kann, und werden fest wie Beton. Ganze Dörfer wurden davon schon ausgelöscht.“
„Es könnte also sein, dass wir die Station erreichen, aber es trotzdem zu spät ist“, meinte sie leise.
Jet antwortete nicht. Wozu auch? Vielleicht würden sie ja gar nicht hinkommen, aber sie mussten es auf jeden Fall probieren.
„Lava ist nicht so schlimm“, sagte er etwas später. Er arbeitete rasch und präzise, um die Wunde sauber zu vernähen. „Die bewegt sich normalerweise so langsam, dass man ihr ausweichen kann. Zum Problem wird sie erst dann, wenn sie den Zugang komplett verschlossen hat.“
„Was ist mit den Gasen, die aus dem Vulkan austreten? Sind die nicht giftig?“, fragte Becca.
„Einige ja“, bestätigte Jet. „Aber es hat keinen Sinn, sich deshalb Sorgen zu machen, da das, was wir tun können, sowieso ziemlich begrenzt ist. Wir sollten möglichst aufrecht bleiben, weil viele dieser Gase schwerer sind als Luft und sich daher am Boden sammeln. Atemschutzmasken wären ideal, aber wir können uns glücklich schätzen, dass wir diese hochwertigen Antivirus-Masken haben. Wenn wir sie befeuchten, helfen sie noch besser gegen Gase und auch gegen Asche.“
Er schnitt das letzte Stück Faden ab und klebte einen Transparentverband über die Wunde. „Ich werde sie jetzt erst mal bandagieren. Wenn der Schmerz zunimmt, können wir den Arm noch schienen. Achte darauf, ihn nicht zu sehr zu
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