Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
Chemo?“
„Ja.“ Sie bemühte sich um einen heiteren Tonfall, doch das fiel ihr schwer, und sie musste ein paarmal blinzeln.
Aufmerksam sah Josh sie an. „Das ist schon okay. So wie letztes Mal?“
„Nicht ganz. Diesmal fahren sie die ganz schweren Geschütze auf, um alle Krebszellen zu erwischen. Das heißt, du kriegst nicht nur Medikamente, sondern auch Bestrahlung.“
Seine Augen wurden groß. „Ich werde bestrahlt? Kriegt meine Haut dann eine grüne Farbe, oder fang ich an zu glühen?“
Sarah lachte. „Nein. Und du wirst auch nicht plötzlich irgendwelche Superkräfte entwickeln. Es ist eher so wie viele Röntgenstrahlen gleichzeitig.“
Josh war ein kluger Junge. Er verstand viel mehr, als die meisten Leute glaubten, und Sarah war immer ehrlich zu ihm gewesen. Zwar erzählte sie ihm nicht jedes Detail, aber wenn er eine Frage stellte, sagte sie ihm die Wahrheit. Josh schien zu wissen, was er an Informationen verkraften konnte. Und wie viele andere Kinder mit einer lebensbedrohlichen Krankheit besaß er eine Weisheit, die weit über sein Alter hinausging.
Manchmal beschämte er Sarah durch seine Art, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie nun mal waren. Über den Tod wusste er besser Bescheid, als das bei einem Kind der Fall sein sollte. Er hatte keine Angst davor, aber er liebte das Leben und machte instinktiv das Beste aus jedem Augenblick. In diesem Moment war er allerdings auch nur ein kleiner Junge.
„Wird es wehtun?“, fragte er leise.
„Nein.“ Am liebsten hätte Sarah ihn in die Arme genommen, hielt sich aber zurück. Josh wurde allmählich zu alt für mütterliche Umarmungen und Küsse. Oft bemerkte sie an ihm bereits Anzeichen des Mannes, der er einmal sein würde. So wie jetzt, als er die schmalen, knochigen Schultern straffte und das Kinn reckte.
„Dann ist es in Ordnung.“ Ruhig sah er seine Tante an. „Und das war’s?“
„Nicht ganz. Du bekommst auch wieder einen Langzeitkatheter eingesetzt.“
Bei seiner ersten Chemotherapie hatte er auch schon einen gehabt. Ein solcher Katheter bildete einen dauerhaften intravenösen Zugang, der es ermöglichte, Medikamente zuzuführen und schmerzlos Blutproben zu entnehmen.
„Aber dabei schlafe ich doch, oder?“, fragte Josh.
„Ja, natürlich.“
„Und wird mir auch wieder richtig schlecht?“
Es kostete Sarah Mühe, ihn weiterhin direkt anzusehen. „Das könnte sein. Aber du kriegst Medikamente, damit du nicht spucken musst.“
„Ist das dann das letzte Mal, dass ich das machen muss?“
„Das hoffen wir alle, Schatz.“
„Und wann fängt es an?“
„Das ist jetzt die gute Nachricht“, meinte sie. „Nämlich erst in ein paar Tagen. Und bis dahin darfst du nach Hause gehen. Du darfst alles machen, was du willst. Wir können einkaufen gehen und neue DVDs und Bücher besorgen und alles, was du sonst noch mit ins Krankenhaus nehmen willst.“
„Die haben hier schon jede Menge Zeug. Komme ich dann wieder in dieses Zimmer, oder kann ich zu den anderen Chemo-Kindern?“, fragte Josh hoffnungsvoll. „Oscar hat auch Leukämie, und er hat gesagt, dass in seinem Zimmer ein leeres Bett steht.“
Sarah atmete tief durch. Das war’s also mit der „guten“ Nachricht. „Nein, du kommst auf eine ganz besondere Station, Josh. Dort hast du ein eigenes Zimmer und alles, was du brauchst, aber …“ Wie sollte sie ihm bloß beibringen, dass er wochenlang isoliert sein würde? „Es ist absolut keimfrei, damit du keine Infektionen bekommst.“
„Aber mir geht’s doch schon viel besser“, protestierte er. „Ich hab jetzt gar kein Fieber mehr.“
„Das ist eine andere Art von Behandlung. Du weißt doch, wie die schlechten Leukämiezellen in deinem Knochenmark gebildet werden, oder?“
„Ja, deshalb stechen sie mir ja in den Rücken, um das Knochenmark rauszuholen und die Zellen unterm Mikroskop zu zählen.“
„Bei dieser neuen Behandlung sollen alle schlechten Zellen verschwinden, aber dadurch werden auch die guten Zellen mit abgetötet. Das heißt, dass du eine Zeit lang überhaupt kein Knochenmark mehr hast, das neues Blut produzieren und dich vor Infektionen schützen kann“, erklärte Sarah.
„Und dann?“
„Dann kriegst du neues Knochenmark. Sobald es genug Zeit hatte, sich in deinen Knochen festzusetzen, wird es anfangen, neues Blut zu bilden. Gutes, gesundes Blut.“
Josh überlegte. „Ich werde also wieder gesund?“
„Das hoffen wir.“ Sarah lächelte. „Das ist die Chance, auf die wir so lange
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