Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
zurückziehen. Das durfte sie keinesfalls riskieren.
Ein Schritt nach dem anderen, dachte sie.
Rick interpretierte ihr Schweigen als Einverständnis.
„Gut“, meinte er. „Freut mich, dass wir uns verstehen.“ Damit wandte er sich ab und ging. Er hatte seine Pflicht getan.
Durch sein Beruhigungsmittel war Josh so schläfrig, dass er es kaum mitbekam, wie er ins Behandlungszimmer gerollt wurde.
Sarah stellte sich an das Kopfende und hielt ihm die Hand.
„Können wir?“ Mike trug Handschuhe sowie einen OP-Kittel und hielt eine Spritze zur Lokalanästhesie in der Hand.
Sarah nickte. Ihr Blick war auf Josh gerichtet, der leise stöhnte, als er die Nadel spürte.
Trotz der örtlichen Betäubung war der nächste Teil der Prozedur äußerst schmerzhaft. Dank der Medikamente würde Josh sich später nicht mehr daran erinnern, aber Sarah schon. Das schläfrige Stöhnen und halb unterdrückte Weinen trieben ihr die Tränen in die Augen, und sie musste hörbar schniefen.
„Alles in Ordnung mit Ihnen, Sarah?“
„Ja.“
„Es dauert nicht mehr lang.“
„Das ist gut.“
Wahrscheinlich war es besser, dass Rick im Augenblick vor jeder persönlichen Beziehung mit Josh zurückscheute. Wenn er jetzt dabei gewesen wäre, hätte er genau gewusst, was ihn bei einer Knochenmarkspende erwartete. Bei ihm würde es sogar mehrere Einstichstellen geben, da für eine Transplantation mindestens zwei Liter Knochenmark gebraucht wurden. Von Josh dagegen genügte nur eine kleine Menge für die notwendigen Proben.
Nach der Punktion nahm Mike die Biopsie vor.
„Fast geschafft, mein Kleiner“, flüsterte Sarah. „Du bist ein echter Held.“
Wie immer. Josh war so ein tapferer kleiner Junge. Als ob es nicht genug gewesen wäre, dass er im Alter von sechs Jahren seine Mutter verlor und zu einer Tante ziehen musste, die er kaum kannte. Sarah wünschte, sie wäre mehr für ihn da gewesen, als er noch klein war. Aber nach dem Tod ihrer Mutter war Lucy in ihr Heimatstädtchen zurückgegangen. Ihre kleine Schwester dagegen hatte sie darin bestärkt, in den großen Städten zu bleiben, um beruflich voranzukommen. Sie sollte nicht denselben Fehler machen wie sie selbst.
Wenigstens war Sarah keine völlig Fremde für Josh gewesen. Und auch wenn sie ihn nicht als ihren Neffen geliebt hätte, hätte er mit seinem Mut und seiner Widerstandskraft ihr Herz im vergangenen Jahr ganz und gar erobert.
„Ich werde wieder gesund“, versicherte er ihr oft. „Mach dir keine Sorgen, Sarah. Eines Tages werde ich groß sein, und dann kümmere ich mich um dich.“
Wieder musste sie schniefen. Eine Krankenschwester reichte ihr ein Taschentuch, und Mike blickte mit einem teilnahmsvollen Lächeln auf.
„Wir haben’s geschafft. Sieht nach einer guten Probe aus.“
„Super.“
„Wir machen gleich im Anschluss auch noch das MRT, bevor die Sedierung nachlässt. Und ich gebe Josh auch noch ein Schmerzmittel. Wenn er aufwacht, wird er sich wahrscheinlich ein bisschen zerschlagen fühlen“, meinte er.
„Er kommt schon damit zurecht“, erwiderte Sarah. „Ich glaube, nach diesen Behandlungen hat er sich noch nie ernsthaft beklagt.“
Nach seiner Knochenmarkspende würde Rick wesentlich mehr Schmerzen haben, die er jedoch sicher bald überwunden hatte. Was ihn betraf, war die Sache damit zu Ende. Aber verdammt, das wollte Sarah so nicht akzeptieren.
„Er ist erstaunlich.“ Mike drückte eine Mullkompresse auf die Einstichstelle. „Wirklich ein toller Junge.“
Allerdings. Wenn Rick Joshs Vater war, dann musste er unbedingt Zeit mit ihm verbringen, um zu merken, was für ein wunderbares Kind er hatte. Jeder, der Josh kennenlernte, verliebte sich in ihn. Und er hatte es verdient, dass sein eigener Vater auch zu diesen Menschen gehörte.
Falls Rick dachte, er könnte es mit einem medizinischen Eingriff wieder gutmachen, dass er seinen Sohn nicht anerkennen wollte, dann hatte er sich gründlich getäuscht. Es ärgerte Sarah, dass er Josh einfach so ablehnte, ohne überhaupt zu wissen, was für ein besonderes Kind er war. Er sollte vielmehr stolz auf ihn sein.
Josh hatte doch ein Recht darauf zu erfahren, wer sein Vater war. Aber wie konnte sie es ihm sagen, wenn er mit einer Zurückweisung rechnen musste?
Eins nach dem andern, sagte sie sich wieder einmal, während sie auf dem Weg zum MRT neben der Trage herging. Liebevoll drückte sie Josh die Hand, womit sie nicht nur den Kleinen, sondern auch sich selbst tröstete. Erst mussten sie die
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