Julia Ärzte zum Verlieben Band 50
einer Familie geträumt. Davon, mit ihrem Kind und einem Hund auf dem Land zu leben. Das perfekte Leben. Bloß, es war eben nicht perfekt, weil ihrem geliebten Sohn etwas Wichtiges fehlte. Nämlich sein Vater.
Also Rick.
Er hatte ihre Schwester mit einem Kind und einem Traum sitzen gelassen, der niemals wahr geworden wäre. Kein Wunder, dass Sarah ihm die Schuld dafür gab, auch wenn sie etwas anderes zu ihm gesagt hatte. Und zu Recht.
Damit konnte er durchaus umgehen, aber er hatte geglaubt, zwischen ihnen würde sich mittlerweile eine echte Freundschaft entwickeln. Sarah hatte ihm seinen dummen, medikamentenbedingten Annäherungsversuch von neulich verziehen. Sie hatte ihm sogar einen Kuss gegeben, um ihm zu beweisen, dass es keine große Sache gewesen war.
Für Rick allerdings schon.
Diese flüchtige Berührung ihrer Lippen. So nah, dass er ihren Duft und ihren warmen Atem hatte wahrnehmen können. Oh Mann.
Der Kuss stand zwischen ihnen wie ein großer, dicker Brocken. Sarah merkte es wahrscheinlich nicht einmal. Erstens, weil sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf Josh gerichtet hatte, und zweitens, weil es ihr nichts bedeutete.
War das womöglich Schicksal? Rick hatte mit ihrer Schwester geschlafen, und die Folgen brachten sein ganzes Leben durcheinander. Dass er sich so sehr von Sarah angezogen fühlte, gehörte mit dazu. Diese Situation löste einfach unglaublich viele Gefühle aus.
Josh, der jetzt Ricks Knochenmark bekam, wodurch es zu einem Teil von ihm wurde. So viele Dinge, die man nicht voneinander trennen konnte.
Er und Josh. Sarah und er.
Es war schrecklich verwirrend.
„Warum kommt mein Dad mich nicht mehr besuchen?“, klagte Josh.
„Das tut er doch. Jeden Tag“, antwortete Sarah.
„Aber nicht mehr so oft.“
Sarah war gerade dabei, die DVDs durchzusehen, um etwas zu finden, was einen gelangweilten Jungen vielleicht interessieren könnte. Sie hielt inne. Josh hatte recht. Seit der Transplantation war Rick wesentlich seltener vorbeigekommen als davor.
Das beunruhigte sie.
Glaubte er etwa, seine Pflicht jetzt erfüllt zu haben? Die Knochenmarkspende war durchgeführt und von Josh offenbar auch gut angenommen worden. Zumindest gab es keine Anzeichen einer Abstoßungsreaktion.
Jedenfalls kam Rick jeden Tag später, und seine Besuche schienen auch immer kürzer zu werden. Unpersönlicher.
Vielleicht erschien dies Sarah auch nur so, weil er sich bei seinen Besuchen ausschließlich auf Josh konzentrierte. Sie hatte irgendwie das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Rick war ihr gegenüber höflich und liebenswürdig, doch sie spürte die Distanz zwischen ihnen nur allzu deutlich. So ähnlich wie zu dem Zeitpunkt, als sie ihm gesagt hatte, er wäre möglicherweise Joshs Vater. Da war sein Interesse an ihr schlagartig verschwunden.
Ging es etwa darum, wie sie ihn neulich abends nach dem Essen stehen gelassen hatte? Zog Rick sich deshalb von Josh zurück? Wieso hatte sie bloß der Versuchung nachgegeben, ihn zu küssen? Vielleicht dachte er jetzt, dass sie gerne Spielchen spielte. Dabei hatte sie doch nur versucht, ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen aufzubauen. Anscheinend hatte sie das Gegenteil davon erreicht.
„Möchtest du dir Harry Potter noch mal angucken?“, fragte sie.
„Nein.“
„Wir könnten uns auch die Matheaufgaben von Miss Allen vornehmen.“
„Nein.“ Josh schüttelte den Kopf. „Ich bin zu müde. Und mir ist nicht gut.“
Sarahs Herzschlag setzte einen Moment lang aus. „Wie, nicht gut?“
„Mir ist heiß. Und mein Rücken tut weh.“
Sie erschrak. Die Wochen nach der Knochenmarksübertragung waren sehr kritisch. Das Knochenmark brauchte Zeit, um sich festzusetzen. Erst dann konnte es anfangen, neue Blutkörperchen zu bilden. Bis dahin hatte Josh ein hohes Infektions- und Blutungsrisiko.
Mike hatte ihnen gesagt, es wäre normal, wenn sich der Patient nach einer Knochenmarktransplantation sehr krank und schwach fühlen würde. So vieles konnte noch schiefgehen, und selbst das kleinste Symptom, das Josh zeigte, löste bei Sarah Panik aus. Entschlossen kämpfte sie dagegen an. Sie schaffte es sogar, ihrer Stimme einen vollkommen ruhigen Klang zu verleihen.
„Katie kann ja mal Doktor Mike holen.“
Josh nickte. Er lag auf dem Bett und starrte an die Decke.
„Soll ich heute das Foto für die Pinnwand machen?“, fragte Sarah.
Wortlos schüttelte er den Kopf.
„Wir könnten auch was anderes dranstecken. Willst du dir eins von denen aussuchen,
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