Julia Ärzte zum Verlieben Band 51
nicht alles haben.“
Warum soll sie nicht alles haben? dachte Niall ärgerlich. Wenn jemand es verdient hatte, dann seine Frau.
„Ich hatte keine Ahnung, dass du Geld nach Afrika schickst“, meinte er. „Warum hast du es mir nie erzählt?“
„Ich dachte, du hättest nichts dagegen. Wir hatten immer mehr als genug für Ella und uns.“
„Natürlich habe ich nichts dagegen. Ich finde, das ist eine großartige Idee. Ich wünschte mir bloß, du hättest mich daran teilhaben lassen. Anscheinend war es für dich sogar leichter, deinen Kummer über die Fehlgeburt mit der Öffentlichkeit statt mit mir zu teilen“, erwiderte Niall traurig. „Es wäre schön gewesen, wenn du es mir gesagt hättest.“
Robina schaute aus dem Fenster. Er hatte recht. Weshalb hatte sie ihm so vieles vorenthalten? Er war schließlich ihr Ehemann. Eigentlich sollten sie keine Geheimnisse voreinander haben. Doch sie waren beide ständig beschäftigt gewesen und hatten nie Zeit zum Reden gehabt. Und in der Fernsehshow über ihre Fehlgeburt zu sprechen war ihr seltsamerweise tatsächlich leichter gefallen, als mit Niall darüber zu reden.
„Vermisst du Südafrika?“, erkundigte er sich nach einer längeren Pause. „Das Leben in Schottland ist ja ganz anders.“
„Ich vermisse Mum und Umakhulu . Und die Sonne.“ Robina lächelte. „Aber Schottland finde ich auch schön. Wenn ich Mum und Umakhulu bei mir haben könnte …“ Sie zögerte.
„Dann wäre alles perfekt?“
„Nein. Wir wissen beide, dass bei uns längst nicht alles perfekt ist.“
„Aber es ist nicht zu spät“, sagte er eindringlich. „Wir könnten noch einmal von vorn anfangen.“
Sie sah ihn an. „Glaubst du tatsächlich, dass man wieder an den Anfang zurückgehen kann?“
„Ja, ich denke schon. Wenn man es wirklich will“, antwortete Niall.
Schweigend fuhren sie weiter, während jeder sich seinen eigenen Gedanken widmete. Nach einer Weile erreichten sie das Dorf.
Vor den kleinen Lehmhäusern spielten Kinder, und Männer saßen in Gruppen zusammen. Frauen gingen mit schweren Wasserkanistern auf dem Kopf vorbei, und in den Hinterhöfen hing die Wäsche fein säuberlich auf den Leinen.
Als Niall und Robina aus dem Auto stiegen, kam eine Nachbarin auf sie zu. Die Frau begrüßte Robina mit einem breiten Lächeln und sprach mit ihr auf Xhosa.
Robina erwiderte den Gruß, ehe sie sich zu Niall umdrehte und ihn vorstellte. Mrs Tambo lachte und verbarg ihr Gesicht hinter dem bunten Tuch, das sie trug.
„Wie geht es meiner Großmutter?“, erkundigte sich Robina.
Mrs Tambos Lächeln erstarb, und sie antwortete bedauernd: „Nicht so gut. Aber es geht ihr sicher besser, wenn sie dich sieht.“
Niall musste vor der niedrigen Haustür den Kopf einziehen. Drinnen lag Robinas Großmutter in einem kleinen, durch einen Vorhang vom Wohnzimmer abgetrennten Raum im Bett. Sobald sie Robina erblickte, stützte sie sich mühsam auf die Ellbogen.
Robina umarmte sie. Schockiert bemerkte sie, wie sehr ihre Großmutter an Gewicht verloren hatte. Ihre dunkle Haut besaß die ungesunde graue Färbung, die von Sauerstoffmangel herrührte. Sie atmete schwer. Ihre geschwollenen Knöchel waren Anzeichen eines Ödems, das wiederum auf ihre Herzinsuffizienz hinwies. Robina verließ der Mut. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihrer Großmutter so schlecht gehen würde. Mit Mühe unterdrückte sie ihre aufgewühlten Gefühle.
Ihre Großmutter ließ die Tränen jedoch ungehindert fließen. Auf Xhosa sagte sie zu Robina, wie froh sie war, ihr einziges Enkelkind vor ihrem Tod noch einmal zu sehen. Sie meinte, sie hätte extra auf Robina gewartet.
„Du hast auch meinen Enkelsohn mitgebracht?“, fragte die Alte und betrachtete Niall wohlwollend. „Aiee , er ist der richtige Mann für dich.“
Unter der freimütigen Musterung der alten Frau wurde Niall sogar ein bisschen rot. „Hallo“, sagte er sanft. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen.“
„Ich freue mich auch.“ Angestrengt und unter Keuchen stieß sie die Worte hervor.
Robina wandte sich an die Nachbarin, die an der Tür stehen geblieben war. „Wann ist der Doktor zuletzt da gewesen?“ Dann übersetzte sie für Niall. „Sie sagt, der Arzt war gestern hier und kommt morgen wieder. Er hat Umakhulu Tabletten gegeben, aber ihr Herz wird schwächer.“ Zu ihrer Großmutter sagte sie: „ Umakhulu, wir bringen dich ins Krankenhaus, ja?“
Doch ihre Großmutter schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Ich bleibe
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