Julia Ärzte zum Verlieben Band 51
die Blutungen nicht sofort gestoppt werden konnten, würde der Mann an einem hämorrhagischen Schock sterben.
„Wie würden Sie jetzt vorgehen?“, fragte Dr. Faress.
Er wollte sie tatsächlich auf die Probe stellen. Ohne ihn anzusehen, wandte Larissa sich an Dr. Tarek, von dem sich herausgestellt hatte, dass er der Anästhesist war. „Bewusste Sedierung, bitte. Wir werden das Verschließen der verletzten Blutgefäße mittels einer angiografischen Intervention vornehmen.“
Dr. Faress hob abwehrend die Hand. „Wollen Sie vorher nicht eine Computertomografie machen lassen? Oder eine chirurgische Fixation der Fraktur vorschlagen? Und wie steht es mit der Blutungskontrolle?“
„Dr. Faress, Sie wissen sicher so gut wie ich, dass kein instabiler Patient einer Röntgenuntersuchung unterzogen werden sollte“, raunte sie ihm halblaut zu, damit die anderen es nicht hören konnten. „Eine Fixation des Bruches würde die Blutungen nicht zum Stillstand bringen. Wir wissen beide, dass eine Eindämmung der Blutungen am offenen Patienten meistens zum Tod auf dem Operationstisch führt.“
So. Damit hatte sie ihm hoffentlich die richtige Antwort gegeben.
Er kniff die dunklen Augen zusammen. Larissa war sich nicht sicher, ob vor Ärger oder Belustigung. Oder war es etwa Anerkennung?
Genugtuung stieg in ihr auf, als er dem Anästhesisten ihre Vorgehensweise bestätigte. Dann drückte Dr. Faress ein paar Knöpfe und brachte ein angiografisches Untersuchungsgerät in Position. Er injizierte dem Patienten ein Kontrastmittel, dann konnten sie auf dem Monitor sehen, an welchen Stellen es gasartig aus den verletzten Arterien aufstieg.
Dr. Faress reichte ihr den Angiografiekatheter. „Fangen Sie an.“
Ohne zu zögern, schob Larissa die Sonde bis zur ersten verletzten Stelle vor. Konzentriert beobachtete sie auf dem Monitor ihr Vorgehen. Dann applizierte sie das flüssige Kunststoffmaterial und verschloss die erste verletzte Stelle.
Innerhalb von zwanzig Minuten hatte Larissa auf diese Weise alle verletzten Arterien behandelt. Zum Schluss injizierte Dr. Faress noch einmal ein Kontrastmittel. Es trat nirgendwo mehr aus.
Damit war der Fall allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Zustand des Patienten hatte sich stabilisiert, doch es gab noch eine Menge zu tun.
Dr. Faress schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. „Willkommen im Team, Dr. McPherson. Der Patient gehört Ihnen.“
Damit nickte er ihr zu und ging zum nächsten OP-Tisch.
In den nächsten zwei Stunden arbeitete Larissa angestrengt, bis ihr Patient optimal versorgt war und auf die Intensivstation gebracht werden konnte. Danach wartete schon der nächste Patient auf sie. Auch Dr. Faress war wieder da. Offenbar wollte er sich vergewissern, dass sie auch in diesem Fall die richtige Diagnose stellte und die beste Therapie wählte. Er unterstützte sie beim schwierigsten Teil der Operation und ging dann zum nächsten Patienten, um auch dort dem Chirurgenteam Hilfestellung zu geben.
Larissa wurde klar, welche Rolle er hier einnahm. Er war der Maestro, der seine Leute dirigierte und dafür sorgte, dass kein Chaos aufkam. Er eilte von Operationstisch zu Operationstisch, nahm die schwierigsten Handgriffe selbst vor und ebnete den Weg für Larissa und die anderen Chirurgen. Das Ergebnis war verblüffend. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sie keinen einzigen Patienten verloren.
Und das hatten sie nur ihm zu verdanken.
Fünfzehn Stunden später waren alle Patienten stabilisiert und auf die Intensivstation gebracht worden. Dr. Faress war wieder gegangen – Gott sei Dank!
Vollkommen erschöpft verließ Larissa den OP. Sie dachte über die Ungerechtigkeiten des Lebens nach. Als ob sie in der letzten Zeit nicht schon genug Aufregungen gehabt hätte, musste sie auch noch einem Mann wie ihm begegnen. Nicht nur, dass er ein wahres Phänomen war, was sein Aussehen und sein Charisma betraf, er schien auch ein großes Organisationstalent zu besitzen, ebenso Führungsqualitäten und vor allem chirurgische Fähigkeiten. Auf jeden Fall musste er eine einflussreiche Persönlichkeit sein, zumindest Chefarzt der Chirurgie. Wahrscheinlich würde sie mit ihm noch öfter das Vergnügen haben. Ihre einzige Hoffnung war, dass er an ihren Fortbildungsseminaren nicht weiter interessiert war und sie deshalb nicht viel miteinander zu tun haben würden.
Larissa verließ den Waschraum – diesmal den der Damen – und folgte dann den Wegweisern zur Rezeption. Als ihr der
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