Julia Ärzte zum Verlieben Band 52
noch?“
„Niemanden.“
„Das glaube ich nicht.“
„Doch. Meine Eltern waren beide spät geborene Einzelkinder älterer Ehepaare. Mein Vater starb, als ich zwölf war. Seitdem gibt es nur noch Mum und mich. Ich habe Dad versprochen, mich um sie zu kümmern, und das werde ich auch weiterhin tun. Aber ich brauche eine kleine Pause.“
„Die Farm ist ein Paradies, das Tom und ich geschaffen haben, ein Ort, wo du zu nichts verpflichtet bist. Du kannst dort sein, was immer du möchtest: meine Geliebte oder meine Großmutter.“
Was immer ich möchte?
Seine Geliebte oder seine Großmutter? Hmm. Lily kuschelte sich tiefer unter die weiche Decke und dachte: Das kann ein sehr langes Wochenende werden.
5. KAPITEL
Das Farmhaus war klein, halb versteckt in der Landschaft. Auf die Veranda ergoss sich ein goldgelber Lichtschein.
Bezaubert blickte Lily auf das mondbeschienene Tal und den Bach unterhalb des Hauses, der sich wie flüssiges Silber durch das Buschland schlängelte. Im Hintergrund erhoben sich die blauschwarzen Schatten der Blue Mountains.
„Wer wohnt hier?“
„Ich.“
„Aber … das Licht …“
„Mein Onkel wohnt im großen Haus. Er lebt lieber allein. Ich habe das angrenzende Land gekauft und mir darauf ein Haus gebaut. Tom weiß, dass ich komme. Er hat sicher ein paar Lebensmittel hergebracht und die Verandalampe eingeschaltet.“
Es war ein warmer, milder Abend. Aus den Eukalyptusbäumen, die das Haus umstanden, ertönte der schnarrende Ruf eines Kuckuckskauzes. Lily hörte Wasser über Steine plätschern und Frösche quaken.
Sie stieg aus dem Auto und blieb stehen. Die Schönheit dieses idyllischen Fleckens nahm ihr den Atem. Nach dieser schrecklichen Woche hier sein zu dürfen, das war …
Tränen stiegen ihr plötzlich in die Augen, und sie wischte sie verlegen weg. Luke, der gerade ihren Koffer die Verandastufen hinauftrug, drehte sich nach ihr um. „Was ist?“
„Ich … Nichts.“
„Hier gibt es keine Vorhängeschlösser.“ Anscheinend hatte er ihr Zögern missverstanden.
Ich hätte nichts dagegen, für eine Weile hier eingesperrt zu werden, dachte sie und atmete die herrliche Luft tief ein. Es riecht nach Pferden! Erinnerungen, unzählige Bilder stürmten auf sie ein … von ihrem Vater, von der Farm, den Pferden, mit denen sie aufgewachsen war.
„Wann kann ich Merrylegs sehen?“, fragte sie und zwang sich weiterzugehen. Am liebsten hätte sie nur die Nase in die Luft gehalten und sich nicht mehr vom Fleck gerührt.
„Merrylegs? Das dürfte ein bisschen schwierig sein.“ Er grinste. „Obwohl, da fällt, mir ein, Tom hat erzählt, dass wir ein neues Hengstfohlen haben. Merrylegs … Wollen wir es uns morgen ansehen? Vielleicht passt der Name ja.“
„Du würdest meinetwegen ein Fohlen so nennen?“
„Befass dich morgen damit“, sagte er sanft. „Du bist todmüde.“
Woher wusste er das? Aber er hatte recht. Dieses blöde Virus hatte sie so geschwächt, dass sie drauf und dran war, in Tränen auszubrechen. Sie hatte sich nicht mehr im Griff.
Nein, dachte sie, das stimmt nicht. Luke hatte für sie die Verantwortung übernommen, und zum ersten Mal seit dem Tod ihres Vaters war jemand für sie da.
„Kommst du?“, sagte Luke, und sie blickte zu diesem großen, breitschultrigen Fremden hoch. Ein sanfter Ausdruck lag in seinen Augen, aber der Tonfall seiner tiefen Stimme verriet Entschlossenheit. Wenn sie sich nicht bald rührte, würde er nicht zögern, Lily auf die Arme zu heben und sie in ihr Bett zu tragen.
Der Gedanke war … verlockend.
Aber unklug. Lily ging langsam die Stufen hinauf, hinein in das wunderschöne kleine Haus und die Treppe hoch ins Gästezimmer.
Als sie Minuten später im Bett lag, schlief sie auf der Stelle ein.
Luke stand im Morgengrauen auf. In der Küche holte er Eier und Schinken aus dem Kühlschrank und stellte die Kaffeemaschine an. Dann zögerte er. Vielleicht sollte er erst Lily wecken, damit sie zusammen frühstücken konnten?
Nein, sie brauchte ihren Schlaf. Und er selbst hatte zu tun: Die Farmgrenzen abreiten, ins große Haus hinübergehen, um ein bisschen Zeit mit Tom zu verbringen, Dinge, die er normalerweise an seinem ersten Tag hier tat.
Lily hingegen musste schlafen, bis sie sich erholt hatte.
Bevor er sich auf den Weg zu Tom machte, erledigte er noch einen Anruf. Nach allem, was Lily ihm erzählt hatte, fand er, dass er sich einmischen musste. Ohne lange nachzudenken, rief er einen befreundeten Anwalt in Adelaide an.
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