Julia Ärzte zum Verlieben Band 53
hätte jemand einen Wasserhahn aufgedreht. Schmale Sturzbäche ergossen sich auf den Sand und benetzten schaumkräuselnd Sarongs und pummelige Babybeine.
Kali und Emma kicherten um die Wette. Zwischen den Wellen sahen sie sich dann grinsend an, als könnten sie die nächste Dusche kaum erwarten. Zoe sah auf und lächelte Teo an.
Es war das erste echte Lächeln, und es verzauberte ihn. Ihre wunderschönen grünen Augen leuchteten, und ihre Wangen waren sanft gerötet vor Freude. Sie genoss diese Zeit mit ihrem Baby. In diesem Moment war sie glücklich.
Fasziniert hatte sie ihn von Anfang an, die furchtlose Sanitäterin, hinter der sich eine ängstliche, einsame junge Mutter verbarg. Und jetzt lernte er eine dritte Seite an ihr kennen, die ihn genauso in den Bann schlug: fröhlich, strahlend, einfach hinreißend.
Sie berührte ihn, weckte etwas in ihm, das warm und immer stärker seine Brust erfüllte. War es Sehnsucht, Hoffnung?
Er kam nicht mehr dazu, das Gefühl zu analysieren. Ein schriller Schmerzensschrei riss ihn aus seinen Gedanken.
„Sefa?“
Der kleine Junge war vergnügt zwischen den Felsen umhergeklettert. Jetzt lag er zusammengekrümmt im Sand und schluchzte erbärmlich. Sein rechter Fuß war voller Blut. Teo schwang ihn in Windeseile auf die Arme und lief mit ihm zum Wasser, um das Blut abzuspülen.
Sefa hatte sich den großen Zeh gestoßen, der Nagel war halb abgerissen. Teo wusste, dass es am besten war, ihn sofort zu entfernen. Aber das würde wehtun. Er liebte den kleinen Jungen, und bei der Vorstellung, ihm Schmerzen zuzufügen, wurde ihm flau im Magen.
Teo hatte jedoch schon vor langer Zeit gelernt, dass man einem geliebten Menschen nicht helfen konnte, wenn man nicht professionelle Distanz wahrte. Ja, es würde wehtun, den Nagel abzureißen, doch nur für eine Sekunde. Die Alternative wäre qualvolles Warten, bis sie in der Notaufnahme waren, eine Betäubungsspritze in den verletzten Zeh und die Entfernung des Nagels im Krankenhaus. Die Spritze würde Sefa genauso wehtun wie das, was Teo vorhatte.
Er durfte nicht auf sein Herz hören, er musste es machen.
Teo wartete auf die nächste Welle, damit er Sefas Fuß ins rauschende, kühlende Wasser halten konnte. Dann packte er fest den aufgerissenen Nagel.
„Entschuldige, Kleiner“, murmelte er.
Und schon war es vorbei. Das Salzwasser reinigte die Wunde, und als er ihn zu seiner Mutter brachte, schluchzte Sefa, den Kopf an die Schulter seines Onkels geschmiegt, nur noch leise vor sich hin.
„Ich musste den Zehennagel entfernen“, erklärte er. „Wir verbinden die Wunde noch, aber sie dürfte nicht mehr lange wehtun.“
Alisi nickte und drückte ihren Jüngsten tröstend an sich. Teo nahm Kali auf den Arm. Er spürte Zoes Blick. Vielleicht fand sie es grausam, was er getan hatte.
Er wollte nicht darüber reden.
„Ich denke, wir sollten nach Hause fahren“, sagte er. Als er aufblickte, betrachtete ihn Zoe nicht länger, sondern war dabei, Emma in ein Handtuch zu wickeln.
„Ja“, antwortete sie, ohne ihn noch einmal anzusehen. „Das denke ich auch.“
5. KAPITEL
Das Klopfen hatte begonnen.
Ein scharfes Stakkato im Dunkeln, das lauter wurde und immer näher kam. Finn Kennedy wusste, dass es kein Entrinnen gab.
Er war gefangen.
In einem Albtraum, mit immer wieder gleichen Bildern. Das Klopfen wurde zum ohrenbetäubenden Knattern der Flugabwehrgeschosse. Grelle Lichtblitze durchzuckten die gnädige Dunkelheit, die der Tiefschlaf ihm vor Sekunden noch geschenkt hatte. In einem glühend roten Feuerball zerbarst der getroffene Kampfjet am Himmel. Die Gebäude des Militärstützpunkts erzitterten. Der Boden unter Finns Füßen bebte.
Ich muss Isaac finden.
Sein kleiner Bruder war hier irgendwo in diesem Armeelager. Ihn zu beschützen, war ihm schon in frühester Jugend in Fleisch und Blut übergegangen. Isaac war der einzige Mensch, den er wirklich liebte, der Einzige, der ihm etwas bedeutete, nachdem sie zusammen wechselnde, oft grässliche Pflegeheime und Familien, Ausgrenzung und Verachtung überstanden hatten.
Finn rannte zwischen anderen Kameraden durch das Lager, während um sie herum Granaten explodierten und ihre tödlichen Splitter in alle Richtungen verteilten. Er wusste, dass er auch eine Portion Glück brauchte, um Isaac zu retten. Er selbst hatte nur noch wenige Tage Militärdienst vor sich, danach war er in Sicherheit und frei, seinen Traum zu verwirklichen: als Arzt zu arbeiten, aber nicht mehr im
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