Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
gut überstanden haben. Diese Geschichte kannst du in dreißig Jahren deinen Enkelkindern erzählen.“
„Falls ich Enkelkinder habe.“
Sophie lächelte zuversichtlich. „Ihr habt Wasser und etwas zu essen und einen sicheren Schlafplatz. Egal, was passiert – bleibt auf jeden Fall hier. Falls nach uns gesucht wird, könnt ihr nur gefunden werden, wenn ihr euch in der Nähe des Hubschrauberwracks aufhaltet.“
Odette rieb sich die Augen, verschmierte ihre Mascara noch mehr. „Keine Angst, ich gehe nirgendwohin. Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben …“
Mitfühlend sah Sophie sie an. „Ich weiß. Es ist ganz natürlich, dass du dir Sorgen um dein Baby machst. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich an deiner Stelle genauso tapfer wäre.“
Odette schnäuzte sich. „Bestimmt würdest du nicht so erbärmlich herumheulen wie ich.“
Sophie nahm sie in den Arm und sagte leise: „Hör zu, Odette, es ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber falls bei dir doch die Wehen einsetzen sollten, versuch ganz ruhig zu bleiben. William wird sich um dich kümmern. Und denk daran, dass eine Geburt etwas ganz Natürliches ist. Dein Körper ist dafür gemacht, Babys zu bekommen. Verlass dich einfach auf deine Instinkte. Ein Neugeborenes braucht nur die Nähe seiner Mutter, sonst nichts. Aber bestimmt sind wir wieder zurück, bevor es losgeht. Erstgeborene brauchen immer etwas länger.“
Wieder füllten Odettes Augen sich mit Tränen. „Könnt ihr nicht hierbleiben? Levi darf mich jetzt nicht verlassen.“ Verzweifelt klammerte sie sich an Sophies Arm. „Bitte, lasst mich nicht allein!“
Sophie drückte die junge Frau an sich. „Es wird alles gut. Wir sind so schnell wie möglich wieder zurück. Jetzt müssen wir los. Uns bleibt nur wenig Zeit, bis es zu heiß zum Wandern wird.“
Als Odette zu weinen anfing, warf Sophie Levi einen hilflosen Blick zu.
Levi kam herüber und nahm seine Schwester in den Arm. „Psst. Beruhig dich, Kleines. Es dauert doch nur einen Tag. Höchstens. William bleibt bei dir und kümmert sich um dich. Versuch, dich zu entspannen.“
Odette schluchzte. „Entspannen?“ Sie zitterte. Trotzdem löste Levi sich von ihr und schob sie zu William herüber. „Seid vorsichtig.“ Aus großen, tränenfeuchten Augen sah sie ihren Bruder an.
„Versprochen. Wir beeilen uns.“ Besorgnis sprach aus Levis Blick. Er hasste es, dass er seine kleine Schwester zurücklassen musste. Die Vorstellung, die Wehen könnten einsetzen, während sie unterwegs waren, ließ ihn Schweißausbrüche bekommen. Hoffentlich ging alles gut. Sein ganzes Leben hatte er damit verbracht, auf sie aufzupassen und für sie zu sorgen, und gerade in diesem entscheidenden Moment ließ er sie im Stich.
Andererseits war es ausgeschlossen, Sophie allein loszuschicken – auch wenn er ahnte, dass sie in der Wildnis deutlich besser zurechtkommen würde als er selbst.
Zum Glück vertraute er William – selbst wenn er nicht genau wusste, weshalb. Sie würden so schnell wie möglich zurückkehren. Es wäre unvernünftig, hierzubleiben und optimistisch auf ihre Rettung zu warten.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, machten Sophie und Levi sich auf den Weg, wobei Levi sich wie ein Verräter fühlte. Ganz automatisch hatte er angenommen, dass er vorausgehen würde, doch Sophie schien nicht nur genau zu wissen, welche Richtung sie einschlagen mussten, sondern kam auch besser auf dem felsigen, von Gestrüpp überwuchertem Pfad voran. Also folgte er ihr, auch wenn er es ungewohnt fand, jemand anderem die Führung zu überlassen. Noch dazu einer Frau.
Woher nahm sie eigentlich ihre zielgerichtete Entschlossenheit? Er beschleunigte seinen Schritt, lief neben ihr her. „Sag mal, findest du es nicht etwas leichtsinnig, uns nur auf Williams vage Erinnerung an diese Siedlung zu verlassen? Immerhin ist es über ein Jahr her, seitdem er hier in der Gegend war.“
Sie warf ihm einen warnenden Blick zu. „Es war unsere gemeinsame Entscheidung, in diese Richtung zu gehen. Einen anderen Anhaltspunkt als Smileys Erinnerung haben wir nun einmal nicht.“
„Was ist, wenn die Aborigines weitergezogen sind und wir sie nicht mehr finden?“
„Nun, das kann natürlich sein. Genauso wahrscheinlich ist es, dass sie ein paar Meilen näher in unsere Richtung gezogen sind. Wir wissen es einfach nicht!“
Sie hatte recht. Wie immer. „Ich mag es, wie du die Dinge anpackst“, erklärte er und hob einen Ast auf, um ihn als Wanderstab zu
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