Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
frischgebackenen Mutter das Baby an die Brust und breitete eine Decke über den beiden aus.
„Es ist alles in Ordnung. Er muss nicht unbedingt schreien. Der Kleine hat eine gesunde Gesichtsfarbe und ist wach. Und ja, es ist definitiv ein Junge.“
Sophie klemmte die Nabelschnur ab und trennte Mutter und Kind voneinander. Dann wartete sie auf die Nachgeburt. Schließlich tastete sie Odettes Bauch ab. Alles war so, wie es sein sollte.
„Es ist vorbei!“ Glücklich lächelte Odette sie an. „Ich habe es geschafft!“ Überwältigt sah sie ihren Sohn an. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr du mir geholfen hast, Sophie.“
„Das ist mein Job.“ Einen Augenblick lang saßen die beiden Frauen schweigend nebeneinander und genossen das Gefühl, etwas Großartiges vollbracht zu haben. Eine Entbindung unter so ungünstigen Bedingungen geschah schließlich nicht alle Tage.
„Holst du bitte Levi und William, um ihnen den Kleinen zu zeigen?“
Sophie musste schlucken, als sie hörte, wie Odettes Stimme vor Glück und Rührung zitterte. Diese Momente waren der Grund dafür, dass sie ihren Beruf so liebte.
„Natürlich.“ Sie zog ihre Handschuhe aus. „Meinen Glückwunsch! Du warst unglaublich.“ Sie streichelte dem neuen Erdenbürger sanft über den Kopf und winkte dann Levi und William herbei.
Während die beiden Männer Odettes Baby bestaunten, verschwand Sophie in Richtung Fluss, um die Krokodile im Auge zu behalten.
Einige Minuten später folgte Levi ihr. Schnell trat sie ein paar Schritte beiseite, doch er ließ sich nicht beirren. „Ob du willst oder nicht, Sophie, ich werde dich jetzt umarmen.“
„Oh.“ Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, doch im Grunde war auch keine Antwort notwendig, denn er hatte sie schon an sich gezogen. Seufzend ließ sie den Kopf an seine Brust sinken und war gar nicht mehr böse darüber, dass er gekommen war.
„Danke, Sophie“, sagte er leise. Minutenlang standen sie eng umschlungen am Ufer, während der Fluss leise vor sich hin gurgelte und nur ab und zu das Krächzen eines Eisvogels die Stille durchbrach.
Sophie war nie der Typ Frau gewesen, der unbedingt einen Beschützer brauchte. Überhaupt hatte sie es bisher vermieden, sich zu sehr von anderen Menschen abhängig zu machen. Doch mit Levi war alles anders. Er besaß die magische Fähigkeit, ihr jede Last abzunehmen. Ein Blick von ihm reichte, und sie fühlte sich, als könne sie sich jedem Problem stellen. Es gab keinen Ort auf der Welt, wo sie sich sicherer und geborgener fühlte als in seinen Armen.
Sie zog die Nase kraus. Es roch nach Blut. Besorgt betrachtete sie den blutgetränkten Verband um seinen Oberarm. Blitzartig wurde ihr klar, wie glimpflich er davongekommen war. Vorhin hatte Odettes Entbindung sie abgelenkt, doch nun wurde ihr das Ausmaß der Gefahr plötzlich bewusst.
Levi hätte sterben können. Die Vorstellung raubte ihr den Atem und ließ ihr Herz rasen. Hätte die Kugel ihn nur ein paar Zentimeter weiter links getroffen, dann wäre er jetzt tot. Und sie hätte den Mann, den sie liebte, verloren. Wie hatte sie nur so lange an ihren Gefühlen zweifeln können? Hatte sie denn völlig den Verstand verloren?
Sie liebte ihn. Tränen stiegen ihr in die Augen. Diesmal schaffte sie es nicht, sie zurückzuhalten. Sie war besessen davon gewesen, ihn für seinen vermeintlichen Verrat büßen zu lassen. Worüber sie fast nicht bemerkt hätte, dass sie ihn liebte. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
„Da sind wir zwei also wieder“, murmelte er dicht an ihrem Haar.
Wie könnte sie jemals glücklicher sein als in diesem Moment? Da Levi nicht wissen konnte, was in ihrem Kopf vorging – welche überwältigende Erkenntnis sie gerade gehabt hatte – redete er unbefangen weiter. „Und dabei hatte ich angenommen, ich würde dich nie wiedersehen.“
Gott sei Dank hatte er sich geirrt. Sophie gab sich Mühe, ihre Stimme normal klingen zu lassen, als sie sagte: „Das Schicksal hat sich offenbar gegen uns verschworen.“
„Hm. Es scheint hier noch eine ganz andere Verschwörung zu geben. Tut mir so leid, dass ihr zwei in diese Sache hineingezogen wurdet.“
Auf einmal fiel ihr ein, dass auch sie ihn belogen und es noch nicht gebeichtet hatte. Plötzlich war es schwierig, die richtigen Worte zu finden. Seltsam. Obwohl sie so empört über sein Verschweigen der Wahrheit und über seine mehrdeutigen Aussagen gewesen war, hatte sie sich im Grunde nicht viel besser verhalten.
„Herzlichen
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