Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
bewegte.
„Macht nichts.“
Ihre Blicke verfingen sich, und lange Zeit sahen sie einander nur an.
Luca brach das Schweigen als Erster. „Du hast also noch nie Schwanensee gesehen?“
Eine Weile sagte sie nichts. Dann schüttelte sie den Kopf. „Und du?“
„Meine Großmutter hat klassische Musik geliebt. An erster Stelle Opern, aber sie ging auch gern ins Ballett. Und sie achtete sehr darauf, dass wir uns damit auskennen.“ Er lächelte gedankenvoll. „Als ich zwölf war, ist sie mit meinen Schwestern und mir nach Rom gefahren, weil im Teatro dell’Opera Schwanensee aufgeführt wurde.“
Von seinen Schwestern hatte er schon einmal gesprochen. Wehmütig dachte sie daran, dass in ihrer Kindheit Familienausflüge in die Oper oder ins Ballett undenkbar gewesen waren.
„Du hast drei Schwestern, stimmt’s?“
„Ja.“ Er spielte mit dem Gedanken, es dabei bewenden zu lassen, und war dann selbst überrascht, dass er es sich anders überlegte. „Und einen Bruder.“
Sein Akzent hatte sich verstärkt, und Mia hörte einen schmerzlichen Unterton heraus. „Was ist passiert, Luca?“
Sie hatte ihm gesagt, dass sie es nicht wissen wollte. Aber das war, bevor sie erkannte, dass sie ihn liebte. Die Gefühle waren fremd und auch ein bisschen beunruhigend, aber auch unbeschreiblich stark.
Jetzt wollte sie mehr von Luca wissen.
Alles.
Luca zögerte. Ihre sanfte Frage zu beantworten, bedeutete, tief in die Vergangenheit einzutauchen. Und er hatte diese Reise gerade hinter sich gebracht, nachdem er einmal um die halbe Welt geflogen war. Aber auf einmal erschien es ihm nicht mehr so bedrohlich.
Vielleicht würde er sich hinterher besser fühlen. Erleichtert.
In diesem seltsamen Kokon, hoch oben in den Wipfeln eines uralten Waldes, kam es ihm plötzlich so vor, als wären Mia und er die einzigen Menschen auf der Welt. Auch wenn Brian schlafend auf der Trage zwischen ihnen lag, auch wenn der Monitor rhythmisch piepste und gelegentliches Knacken und Rauschen aus dem Funkgerät drang.
Vielleicht verstärkte der stetig rauschende Regen die intime Situation. Oder die Dunkelheit. Aber irgendwie war die Atmosphäre wie geschaffen für Geständnisse und die Enthüllung dunkler Geheimnisse.
Und nicht zuletzt, weil Mia bei ihm war. Luca wusste, dass sie die einzige Frau war, die ihn verstehen würde.
Doch wo sollte er anfangen?
10. KAPITEL
Mia wartete. Sie sah Luca an, dass er mit bedrückenden Erinnerungen kämpfte, und wagte kaum weiterzuatmen. Sie wünschte sich so sehr, dass er sich ihr anvertraute.
„Ich habe mich zum ersten Mal …“ Luca schwieg kurz, bevor er sich berichtigte: „… das einzige Mal in meinem Leben verliebt, als ich sechzehn war.“
Es klang so entschlossen, so absolut, dass es Mia einen Stich versetzte.
„Wenigstens glaubte ich damals, dass es die große Liebe ist“, fuhr er fort. „Inzwischen denke ich, dass es eher Lust war.“
Mia versuchte, ihre Eifersucht im Zaum zu halten. Es ist lange her und längst vorbei! sagte sie sich.
„Sie muss eine tolle Frau gewesen sein.“ Es gelang ihr, unbefangen zu klingen. Aber sie konnte ihm nicht in die Augen blicken, wollte keine Liebe darin lesen – die Liebe zu einer anderen Frau.
„Ja, das war sie“, hörte sie ihn sagen. „Sie stammt aus einer alteingesessenen, einflussreichen Familie, und unsere beiden Familien verband seit Generationen eine tiefe, vertrauensvolle Freundschaft. Sie war meinem Bruder versprochen.“
Erstaunt wandte sie den Blick vom Fenster ab. „Versprochen? Für eine arrangierte Ehe, meinst du?“
Luca lächelte. „Genau. Wir reden von Sizilien, da gelten noch die alten Sitten.“
„Und dann … hast du dich stattdessen in sie verliebt?“
„Wir beide.“
„Oh!“ Mia bekam eine Gänsehaut, als hätte der kalte Wind an der Rettungsdecke vorbei einen Weg unter ihren Overall gefunden. Zwei Brüder, die dieselbe Frau begehrten … wie tragisch! Sie kroch tiefer in ihre Decke.
Er nickte grimmig. „Richtig.“
„Habt ihr euch duelliert?“, versuchte sie, den spannungsgeladenen Moment zu lockern.
„Nein.“ Sein Lächeln wirkte bemüht. „Das wäre schneller gegangen.“
Mia wurde wieder ernst. „Es war schlimm, hm?“
Luca nickte. „Marissa und Carlos führten eine stürmische Beziehung. Er war dreiundzwanzig, sie achtzehn, als sie offiziell ihre Verlobung bekannt gaben. Damals arbeitete er in Rom, und es ergab sich, dass Marissa und ich viel zusammen unternahmen. Wenn sie sich wiedersahen,
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