Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
stritten sie sich, vertrugen sich dann aber immer wieder. Ich glaube, sie brauchten den dramatischen Auftritt. Aber ich …“
Er schwieg kurz. Wie blind war er damals gewesen! „Ich stand daneben und litt mit ihr. Als sie dann zu mir kam und sagte, es wäre aus, und ich wäre derjenige, den sie immer gewollt hätte … Mir kam gar nicht in den Sinn, dass sie mir etwas vorspielen könnte, dass ich nur Mittel zum Zweck war, um Carlos eifersüchtig zu machen.“
Luca schüttelte den Kopf. Dumm und naiv war er damals gewesen, hatte sich von Marissa zum Narren halten lassen. Er sah Mia an und stellte erstaunt fest, dass es ihm längst nicht mehr so viel ausmachte.
„Marissa wurde schwanger und erzählte Carlos, mit dem sie sich anscheinend immer noch traf, das Baby sei von mir. Mir sagte sie, es wäre von ihm, und das brachte die Familien auf den Plan … Die Capulets und die Montagues in ‚Romeo und Julia‘ waren reine Lämmchen dagegen.“
Mia konnte nicht darüber lachen. Sie spürte, dass die Auswirkungen schlimmer waren, als er mit seiner lockeren Bemerkung glauben machen wollte. „Wer war denn nun der Vater?“
„Sie erlitt eine Fehlgeburt, und damit hatte sich die Frage erübrigt.“
„Für dich muss das schrecklich gewesen sein“, antwortete sie mitfühlend. Sie selbst war zehn Jahre alt gewesen, als ihre Schwester tot zur Welt kam. Mia wusste noch wie heute, wie unglücklich sie damals war. „Du warst so jung.“
Gefühle stürzten auf ihn ein, die ihn so aufwühlten, dass er im ersten Moment nicht antworten konnte. Seine Familie war wütend auf ihn gewesen. Da hatte sich niemand Gedanken darüber gemacht, wie er sich fühlte, geschweige denn, ihn unterstützt. Nur seine Großmutter hatte verstanden, wie erschüttert er gewesen war.
Luca atmete tief durch. „Zwischen den Familien tat sich ein abgrundtiefer Riss auf, der erst wieder geschlossen wurde, als Marissa und Carlos heirateten. Und ich wurde zum Sündenbock.“
Plötzlich verstand Mia, warum er Verständnis für Stan gezeigt hatte, in jener ersten Nacht. Auch Luca hatte eine Frau geliebt, von der er belogen und betrogen worden war.
„Aber deine Eltern, deine Schwestern …“, begann sie betroffen. „Sie sind deine Familie, sie hätten zu dir halten müssen.“
Doch noch während sie die Worte aussprach, fiel ihr ein, dass ihre Eltern kaum besser gewesen waren. Eltern sollten ihre Kinder lieben und alles tun, damit es ihnen gut ging. Aber die Wirklichkeit war leider oft anders.
„Sizilianer vergeben nicht so leicht“, sagte Luca. „Damals habe ich gelernt, dass Liebe ihre Grenzen hat. Bindungen zerfallen, Beziehungen scheitern, davor ist niemand geschützt. Meine Familie hat mich zu meiner Großmutter nach Palermo geschickt, und seitdem war ich nicht wieder zu Hause.“
„Bis letzte Woche.“
„Genau.“
„War es … schwer, sie wiederzusehen? Deinen Bruder, meine ich. Und Marissa.“
„Nein.“ Zu seiner Erleichterung hatte es nicht so wehgetan, wie er vermutet hatte.
Mia wünschte, er würde mehr erzählen. Liebte er Marissa noch? Doch sie wagte es nicht, danach zu fragen.
„Waren sie versöhnlich?“
„Im Gegenteil, sie haben mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht erwünscht bin.“
Ärger stieg in ihr auf. „Das ist unfair.“
„Wann ist das Leben schon fair? Trotzdem bin ich froh – und dir sehr dankbar dafür –, dass ich hingeflogen bin. Nonna hat mir in einer stürmischen Zeit meines Lebens Halt gegeben, und du hattest recht: Es war wichtig, mich von ihr zu verabschieden.“ Er blickte aus dem Fenster in die Dunkelheit, bevor er sich wieder Mia zuwandte. „Du bist der erste Mensch, dem ich die ganze Geschichte erzählt habe. Ich weiß auch nicht, warum.“
Aber er hatte das Gefühl, dass es richtig war.
Mia lächelte schwach. Sie wollte nicht zu viel hineinlesen. Manche Menschen taten im Urlaub Dinge, die sie sonst nie tun würden. Und nach einem Hubschrauberabsturz wie diesem war man sicher nicht mehr man selbst.
„Wir waren dem Tod nahe, und es ist immer noch nicht sicher, ob wir überleben“, sagte sie. „Das führt dazu, dass man Geständnisse macht.“
Luca lachte leise auf. „Wahrscheinlich hast du recht.“ Er wurde schnell wieder ernst und musterte sie eindringlich. „Du bist dran. Was bewegt Dr. Mia McKenzie?“
Seine unerwartete Frage brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie war nicht sicher, ob sie ihre tiefsten Geheimnisse einem Mann anvertrauen wollte, der davon
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