Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
überzeugt war, dass Liebe ihre Grenzen hatte und Beziehungen scheiterten.
„Das Gleiche wie alle, denke ich“, antwortete sie vage.
Luca merkte, dass sie seinem Blick auswich. Na schön … es würde nicht einfach werden, mehr über sie zu erfahren. Aber er wünschte sich sehr, verstehen zu können, was sie zu der Frau gemacht hatte, die sie heute war. Warum sie nicht über Nacht blieb. Warum sie immer ein Stück Distanz wahrte.
„Okay, dann frage ich dich etwas Einfaches. Warum bist du Ärztin geworden?“
Er konnte nicht wissen, dass die Antwort eng verknüpft war mit der Antwort auf seine erste Frage. Sie starrte ihn an. „Warum bist du Arzt geworden?“
„In dem See, an dem meine Großmutter lebte, wäre fast ein Kind ertrunken. Ich war noch ein Teenager und habe bei der Wiederbelebung geholfen. Danach war für mich klar, was ich wollte: Medizin studieren und Leben retten.“
Mia hätte auch gern eine so einfache Erklärung gehabt.
Erwartungsvoll beugte er sich vor, und die Foliendecke knisterte. „Komm, Mia. Ich habe dir auch von mir erzählt.“
Sie sah aus dem Fenster. „Meine Mutter erwartete noch ein zweites Kind, aber es kam tot zur Welt. Damals war ich zehn.“ Mia schwieg einen Moment. „Ich hatte mich auf mein Schwesterchen gefreut. Und dann war es von einer Minute zur anderen nicht mehr da. Die Ärzte waren sehr nett, freundlich und mitfühlend. Nicht nur zu Mum, sondern auch zu mir. Wahrscheinlich hat das den Ausschlag gegeben.“
Luca beobachtete sie, während sie in die stürmische Nacht hinausstarrte, als wäre der Sinn des Lebens in den Baumkronen verborgen. „Das war bestimmt eine schwere Zeit für dich. Deine Eltern müssen am Boden zerstört gewesen sein.“
„Man könnte sagen, hinterher war nichts mehr wie vorher“, antwortete sie sarkastisch.
„Haben sie den Verlust nicht überwunden?“
„Ein paar Wochen danach verschwand mein Vater für immer. Meine Mutter verbrachte die meiste Zeit des Tages auf der Couch, und ich konnte zusehen, wie ich zurechtkam. Als ich das letzte Mal zu Hause war, lag sie immer noch dort.“
Allmählich wurde das Bild klarer. Der wichtigste Mann in ihrem Leben hatte Mia in einem Alter und in einer Zeit verlassen, als sie ihn am dringendsten brauchte. Und ihre Mutter war in ihrem eigenen Kummer so sehr gefangen gewesen, dass sie die Lücke nicht füllen konnte.
„Das tut mir leid“, sagte er. „Du warst noch ein Kind, du hättest es verdient gehabt, dass man dich umsorgt.“
Die Erinnerung an ihre Verzweiflung und ihren Schmerz damals kehrte zurück, sodass sie sich fast wieder wie das verlassene zehnjährige Mädchen fühlte. Mia sah Luca an. „Ich habe ihn lange gehasst.“
„Verständlich. Du brauchtest ihn, und er war nicht für dich da. Auch nicht für deine Mutter.“
Mia lachte rau auf. „Meine Mutter.“ Sie schüttelte den Kopf. „Meine Mutter hat mich glauben lassen, dass er an allem schuld war. Dass er sich eine bessere Familie gesucht hatte. Aber sie hat mich angelogen.“
„Warum?“
„Als ich während meines Studiums am Harbour ein Praktikum machte, fand ich ihre Krankenakte. Das Baby war nicht von meinem Vater gewesen.“
Sie lehnte den Kopf gegen das Fenster. Der Fund hatte sie zutiefst erschüttert. „Ich habe ihr gesagt, dass ich die Wahrheit kenne. Da gab sie zu, dass Dad uns verlassen hat, nachdem er erfahren hatte, dass sie ihn betrog. Dann sagte sie noch, ich würde nicht verstehen, wie es wäre, mit einem Mann verheiratet zu sein, der rund um die Uhr nur arbeitet.“
„Hast du versucht, Kontakt zu deinem Vater aufzunehmen und dich mit ihm auszusöhnen?“
Mia biss sich auf die Lippe. Du wirst nicht weinen!
Darüber zu sprechen, fiel ihr am schwersten. Sie dachte daran, wie höflich und distanziert ihr Vater gewesen war. Bei ihm saß die Enttäuschung noch immer tief, nicht nur über ihre Mutter, sondern auch über Mia selbst, nachdem sie jahrelang nichts mit ihm zu tun haben wollte.
„Ja, aber es war zu spät. Außerdem hat er drei kleine Kinder, die ihn vergöttern. Ich glaube, ich war nur noch eine schmerzliche Erinnerung, die er in sich verschlossen hatte.“
Ihre Stimme klang rau, und der traurige Unterton traf ihn ins Herz. Verglichen mit ihrem, erschien ihm sein eigenes Schicksal plötzlich gnädig. Er war älter gewesen, ein junger Mann und emotional weniger angreifbar als ein zehnjähriges Mädchen. „Das muss schlimm für dich gewesen sein – und eine starke Belastung während deines
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