Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
ärgerlich. Was fiel ihm ein? „Ach ja, und falls du Angst hast, dass sich die heutigen Ereignisse wiederholen – vergiss es. Caroline und ich fliegen morgen zurück nach Schottland.“
„Morgen? Ist es hier so schrecklich für sie? Hasst sie mich so sehr? Und du?“
„Nein, Pierre, es geht nicht immer nur um dich“, gab Julie aufgeregt zurück. „Caroline findet es schwierig, an dem Ort zu sein, an dem ihre Eltern ihre letzten Lebenstage verbracht haben. Kannst du das nicht verstehen? Außerdem spürt sie, dass ihre Gegenwart dich unglücklich macht. Sie glaubt, dass du wütend auf sie bist.“
Pierre erstarrte. „Dann habe ich versagt. Ich wollte doch nur Ionas Tochter beschützen. Ich dachte, wenn sie hier ist, wo ihr Vater so glücklich war, würde es ihr helfen.“ Er senkte den Blick. „Ich bin ein Idiot. Es war zu früh.“
„Und du? Was geht in dir vor, wenn du hier bist?“ Julie konnte sich nicht beherrschen.
„Ich habe mich immer ferngehalten, wenn sie hier waren. Ich hatte die Arbeit, die Wohnung in Paris. Ich hätte es nicht ertragen, sie hier zusammen so glücklich zu sehen.“
„Ist das auch der Grund, warum du sie nie in Schottland besucht hast?“
„Ja. Es war so egoistisch von mir – das sehe ich jetzt ein. Jacques hat nie verstanden, warum ich sie gemieden habe. In Frankreich ist die Familie so wichtig. Er hat es vermutlich auf meinen Lebensstil geschoben. Es war leichter, ihn das glauben zu lassen.“
„Die arme Caroline“, sagte Julie. „Sie hat keine Ahnung, warum du die Familie vernachlässigt hast. Das ist bestimmt mit ein Grund, warum sie so sauer auf dich ist.“
„Wenn ich sie besucht hätte, wenn ich meine eigenen Gefühle zur Seite geschoben hätte, wären sie vielleicht noch am Leben. Sie wären in Schottland geblieben und alles wäre gut gewesen. Caroline hat recht, mir die Schuld zu geben.“
„Das ist Unsinn!“, rief Julie. „Es war ein Unfall, ein schrecklicher, tragischer Unfall. Du kannst dir doch dafür nicht die Schuld geben!“
„Das tue ich aber“, sagte er leise. „Und ich muss versuchen, es für Caroline wiedergutzumachen. Dafür sorgen, dass sie glücklich ist. Wenigstens das bin ich ihren Eltern schuldig.“
„Dann musst du damit anfangen, offen mit ihr zu reden. Sie muss es spüren können, dass du sie lieb hast – nicht, dass du dich ihr gegenüber zu etwas verpflichtet fühlst.“
Pierre sah sie mit einem schwachen Lächeln an. „Warum bist du nur so weise? Du bist doch kaum älter als meine Nichte.“
So verdammt weise bin ich aber nicht, sonst hätte ich mich nicht in dich verliebt! Aber das konnte sie kaum laut sagen. Sie musste ihre Gefühle auf ewig verbergen.
Julie wurde plötzlich sehr müde. Soll er doch machen, was er will. Er und seine Familie gingen sie nichts an. Auch wenn sie sich noch so sehr wünschte, dass es anders wäre.
„Ich gehe jetzt zu Bett“, sagte sie. Sie vermied es, in seine Augen zu schauen – er sollte nicht sehen, was in diesem Moment in ihr vorging – und ließ ihn alleine auf der nächtlichen Veranda zurück.
Pierre blieb einige Minuten lang völlig regungslos stehen. Er dachte über Julies Bemerkungen nach. Natürlich hatte sie recht. Er war so mit seiner eigenen Trauer beschäftigt gewesen, dass er sich nicht genügend um das junge Mädchen gekümmert hatte.
Sie sah Iona und seinem Bruder so ähnlich, dass es ihm fast das Herz brach. Aber das war der Punkt – es ging nicht um seinen eigenen Schmerz, sondern um seine Nichte. Was für ein Egoist ich bin! dachte er.
Und was fast noch schlimmer ist, ich habe den einzigen Menschen verletzt, der mir einfach nur helfen will. Er sah im Geiste Julies dunkle Augen, in denen sich der Schmerz spiegelte. Ein egoistischer Dummkopf, das bin ich! stöhnte er innerlich auf. Auf der Suche nach Trost, wenn ich selber nichts zu geben habe.
Er betrat das stille Haus und ging in den ersten Stock. Die Tür zu Carolines Schlafzimmer stand offen, und zu seiner Verwunderung war das Bett leer. Wo war sie?
Er folgte einer Eingebung und ging den langen Flur hinunter bis zu dem kleinen Zimmer, welches er als Kind mit seinem Bruder geteilt hatte.
Er hatte recht gehabt. Auf dem Bett, mit einem Teddybär im Arm, der Jacques gehört hatte, saß Caroline und weinte sich die Augen aus dem Kopf.
Pierre setzte sich zu ihr und nahm die junge Frau, die sich nicht wehrte, fest in den Arm. „Ach, mon chou “, sagte er leise und wiegte sie sanft hin und her. „Es ist
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