Julia Ärzte zum Verlieben Band 54
Sie fröstelte plötzlich.
„Es tut mir leid“, sagte der Chirurg. „Ich hätte dich nicht küssen sollen vor deiner Wohnung. Und dann erneut im Weinberg. Ich hatte kein Recht dazu.“
„Es war doch nur ein Kuss.“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen unbesorgten Ton zu verleihen. „Männer und Frauen küssen sich dauernd, ohne dass es viel bedeutet.“
„Aber du bist nicht der Typ Frau, der einen Mann küsst, ohne dass es etwas bedeutet, oder?“, fragte er mit sanfter Stimme.
Julie hörte so etwas wie ein Bedauern in seiner Stimme. Wirklich?
„Nein“, gab sie zu.
„Dann war es nicht recht von mir. Ich hätte es nicht tun sollen. Ich muss dir was gestehen – ich kann keine andere Frau lieben. Das musst du wissen.“
„Katherine?“ Sie spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror.
Pierre zögerte.
„Nicht Katherine“, sagte er schließlich. „Iona.“
„Iona? Carolines Mutter?“ Also war ihr Verdacht doch richtig gewesen! Plötzlich ergab alles einen Sinn. Wie er das Foto angeschaut hatte. Wie er den Namen seiner Schwägerin auf den Lippen gehabt hatte, als er in ihrem Apartment aufgewacht war.
„Du warst in die Frau deines Bruders verliebt?“
„Ich habe sie immer geliebt – vom ersten Augenblick an. Und dann habe ich Schuld an ihrem Tod gehabt.“
Julie sah ihn an. Der erfolgreiche, selbstsichere Chirurg war verschwunden. Vor ihr saß ein Mann, der aussah, als ob er alles verloren hatte, was seinem Leben einen Sinn gegeben hatte.
Ihre Kehle schnürte sich zu. „Hat sie dich auch geliebt?“ Die Frage war ihr entschlüpft, ehe sie sich beherrschen konnte.
Er sah trostlos aus.
„Vielleicht ganz am Anfang. Aber als ich mir über meine Gefühle im Klaren war, war es schon zu spät. Sie hatte meinen Bruder kennengelernt und sich in ihn verliebt.“
„Hat sie geahnt, was du für sie empfindest?“
„Ja. Sie hat es erraten, später, als Caroline schon auf der Welt war.“ Seine Stimme klang bitter. „Ich konnte meine Gefühle nicht so gut verbergen, wie ich gedacht hatte. Aus diesem Grund hat sie Jacques überredet, Frankreich zu verlassen.“
Julie vernahm den Schmerz in seinen Worten.
„Sie dachte, es wäre für uns alle besser. Dass ich sie vergesse, wenn wir so weit entfernt voneinander leben.“
„Und, hast du sie vergessen?“
„Nein, niemals.“ Seine Stimme war brüchig. „Ich werde sie immer lieben. Es wird nie eine andere Frau für mich geben. Jedes Mal, wenn ich Caroline anschaue, sehe ich Ionas Gesicht. Manchmal kann ich es kaum ertragen.“
Seine Worte waren für Julie wie ein Stich ins Herz. Sie liebte ihn. Das war ihr mit blendender Klarheit bewusst. Sie empfand für ihn etwas, das eine Frau vielleicht einmal im Leben verspürt – wenn sie Glück hat.
Aber es war hoffnungslos. Er hatte ihr klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass es in seinem Leben keinen Platz für sie gab. Sie hatte ihm einen Blick in ihr Herz gestattet, und er hatte sich abgewendet.
Mehr denn je musste sie nun darauf achten, dass er ihre wahren Gefühle nie erriet.
„Pierre, es waren nur ein paar Küsse“, wiederholte sie. „Wir sind zwei Erwachsene. Lass uns kein Drama daraus machen.“
In Pierres Zügen bewegte sich etwas. War es Erleichterung? Bedauern? Julie war nicht sicher, aber nach dem, was er ihr soeben gestanden hatte, war er wohl eher froh.
„Du bist eine wunderbare Frau.“ Er deutete auf seine Brust. „Hier drinnen, wo es wirklich darauf ankommt.“
Die theatralische Geste brachte Julie zum Lachen. „Ach, innen drin eine wunderbare Frau“, sagte sie leise. „In anderen Worten, lass uns doch Freunde bleiben.“
Pierre sah sie verdutzt an. „Ich meine es so, wie ich es sage. Du bist wunderbar, innen und außen. Du gibst anderen Menschen so viel …“ Er stand auf und kam auf sie zu.
Instinktiv wich Julie zurück, bis sie an der Brüstung der Veranda lehnte.
Sie musste sich zusammenreißen, damit er nicht ihren inneren Tumult sah. Die Atmosphäre zwischen ihnen war wie elektrisch aufgeladen. Verspürt er wirklich nichts für mich?
Er strich mit dem Finger über die Narbe in ihrem Gesicht. Einige schnelle Worte auf Französisch, denen Julie nicht folgen konnte, und er trat mit einem Fluch auf den Lippen ein paar Schritte zurück. „Du musst an dich selbst glauben! Eines Tages wirst du einen Mann finden, der dich liebt – nur dich.“
„Meine Gefühle spielen hier keine Rolle, das hast du klargestellt“, fuhr sie ihn an. Langsam wurde sie
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