Julia Aerzte zum Verlieben Band 60
„Finn!“
„Geht schon“, stieß er hervor und klammerte sich an den Felsen. Wie ein gestrandeter Fisch schnappte er nach Luft. Er rollte sich auf den Rücken, halb auf dem Felsen, halb noch im Wasser. „Alles okay.“ Langsam konnte er besser atmen. „Komm.“ Der Schmerz hatte nachgelassen, aber Finn musste die Zähne zusammenbeißen, als er die Hand ausstreckte. „Halt dich fest, ich ziehe dich rauf.“
Sekunden später war sie neben ihm, und beide krochen mühsam höher, um dem gierigen Ziehen und Zerren der Wellen zu entkommen. Und dann lagen sie völlig erschöpft nebeneinander, holten keuchend Atem. Evie schloss die Augen und hoffte, dass die Sonne stark genug war, um schnell die eisige Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben. Doch hier draußen wehte ein frischer Wind, und sie bekam eine Gänsehaut.
Finn blickte in den Himmel. Seine Rippen schmerzten höllisch, und morgen würde seine Seite grün und blau sein. Aber Evie und er waren in Sicherheit. Allerdings hätte er sie erwürgen können – nach dem Schrecken, den sie ihm eingejagt hatte, fühlte er sich um zehn Jahre gealtert. Er richtete sich auf. „Wir müssen weiter.“
Evie stöhnte auf. Sie wollte nur hier liegen, die Augen schließen und sich ausruhen. „Eine Minute noch.“
„Nein.“ Er stand auf. „Du bist unterkühlt, du musst dich bewegen.“ Als sie sich nicht rührte, packte er sie am Arm und zog. „Jetzt!“
„Ist ja gut.“ Widerstrebend ließ sie sich aufhelfen, doch als sie stand, drohten ihre Beine nachzugeben, und sie lehnte sich schwer an Finn.
„Du bist eiskalt“, sagte er vorwurfsvoll. „Los geht’s. Und zwar zügig. Über die Felsen, an den Strand und dann die Stufen hinauf.“
Evie kam sich vor wie ein ferngesteuerter Roboter, als sie sich mit steifen Schritten in Bewegung setzte. „Oh nein“, murmelte sie. „Die verdammten Stufen …“
„Bis dahin hast du dich warm gelaufen“, antwortete er.
„Klar, dann nehme ich bestimmt zwei auf einmal.“
Es lag ihm auf der Zunge, zu sagen, dass sie sich das Ganze selbst eingebrockt hätte. Aber wenn er erst einmal anfing, würde er sicher einiges sagen, das er später bereute. Also schwieg er, zog und zerrte Evie mit sich, erleichtert, als er merkte, dass sie besser vorankamen, je mehr ihr Körper sich wieder erwärmte.
Sie erreichten den Strand, und er lief los, holte das Badelaken aus ihrer Tasche und joggte zu Evie zurück.
„Dir ist doch auch kalt“, sagte sie, als sie sich in das flauschige Handtuch kuschelte.
„Mach dir keine Sorgen“, entgegnete er knapp.
Irgendwie schafften sie es auch noch die Treppe hinauf und zum Haupthaus. Finn schob Evie ins Badezimmer, stellte die Dusche an und befahl ihr, sich sofort auszuziehen und unter das heiße Wasser zu stellen. Dann verschwand er nach draußen.
Nie zuvor war Evie über seine grantige, herrische Art so froh gewesen.
Eine halbe Stunde später lag Evie im Bett und dämmerte auf einer warmen, weichen Wolke in den Schlaf, als plötzlich die Tür aufging.
Herein kam Finn, in Jeans und T-Shirt, und trug ein Tablett in den Händen. „Trink das“, befahl er und stellte einen dampfenden Becher auf ihren Nachttisch. Und ein großzügiges Stück saftigen Schokoladenkuchen auf einem Teller mit zartem Blumenmuster. „Reginald besteht darauf.“
Es fiel ihr schwer, sich aufzusetzen. Jeder Muskel protestierte. „Wenn das so ist …“, murmelte sie. Sie lehnte sich gegen das Betthaupt und zog die Knie an, bevor sie nach dem Becher griff. Der Duft des Schokoladenkuchens stieg ihr in die Nase und machte ihr den Mund wässrig. Ihr Magen fing an zu knurren. Es kam ihr vor, als hätte sie in ihrem ganzen Leben noch nie so einen Hunger gehabt.
Wohlig seufzend trank sie einen Schluck von der süßen Honigmilch. Himmlisch, dachte sie und versuchte sich nicht davon stören zu lassen, dass Finn auf und ab tigerte und dabei das Tablett gegen sein Bein schlug.
Sie hat unverschämtes Glück gehabt, grollte er stumm. Hat sie überhaupt eine Ahnung, dass sie beinahe ertrunken wäre? Ihm wurde eiskalt. Gut, sie ging ihm oft auf die Nerven, aber die Vorstellung, dass sie einfach nicht mehr da war … Finn mochte nicht einmal daran denken.
Seine Rippen schmerzten bei jedem Schritt und schürten nur seinen Zorn auf Evie.
Evie hatte die Hälfte ihres Kuchens gegessen, als sie seine anklagende Wanderung nicht länger ertrug. Sie legte die Gabel nieder. „Warum spuckst du es nicht einfach aus, Finn?“
Abrupt blieb er
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