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Julia Aerzte zum Verlieben Band 61

Julia Aerzte zum Verlieben Band 61

Titel: Julia Aerzte zum Verlieben Band 61 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Roberts , Meredith Webber , Amy Andrews
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italienischen Akzent, während er behutsam beschrieb, was geschehen war. Die Angehörigen weinten, stellten Fragen, und Alessandro blieb ruhig, freundlich und geduldig. Er war das Mitgefühl in Person.
    Schließlich streckte Ernies Frau zögernd ihre Hand aus, zog sie aber wieder zurück. Und dann war es Alessandro, der von sich aus ihre Hand nahm.
    Eigentlich hätte diese Geste Nats Herz sofort erweicht, aber diesmal nicht. Denn es erinnerte sie an gestern, als Julian nach der Hand seines Vaters hatte greifen wollen. Auf einmal stieg ungeheure Wut in ihr auf, als hätte ihr jemand einen glühenden Schürhaken durchs Herz gebohrt. Sie wusste nicht, ob es am Hunger oder an ihrem Schlafmangel lag, aber sie verspürte einen geradezu irrationalen Zorn.
    War dieser Kerl etwa schizophren? Ein Mann mit zwei Gesichtern? Wie konnte er Ernies Ehefrau, einer völlig Fremden, den Trost spenden, den er seinem eigenen Kind verweigerte?
    Er hatte bei dieser unbekannten Familie mehr Sensibilität, mehr Gefühl gezeigt als für seinen vierjährigen Sohn. Gestern hatte Nat noch geglaubt, dass Alessandro durch die Trauer um seine Frau emotional erstarrt war. Aber das stimmte nicht. Er war offenbar ein hervorragender Notfallmediziner mit einem wunderbaren Patientenkontakt. Nur dass er diese Fähigkeit anscheinend zu Hause nicht anwendete. Bei dem wichtigsten Menschen in seinem Leben, seinem kleinen Sohn.
    Nach etwa zwanzig Minuten verließen sie Ernies Familie wieder, und Nat war noch nie so froh gewesen, einen Menschen los zu sein, wie jetzt. Aufgebracht stürmte sie voraus. Wenn sie nicht so schnell wie möglich von dem Kerl wegkam, würde sie vermutlich irgendwas sagen, das sie hinterher bereuen könnte.
    Stirnrunzelnd folgte Alessandro ihr. Nat wirkte aufgeregt, und obwohl er lieber nichts mit der Frau zu tun haben wollte, die wie Camillas Zwilling aussah, waren sie doch Kollegen. Und er wusste, dass ein plötzlicher Todesfall einen schwer belasten konnte.
    Er holte sie ein. „Alles okay mit Ihnen?“
    „Ja.“
    Alessandro hielt sie am Arm fest. „Den Eindruck habe ich nicht.“
    Nat blickte auf die gebräunten Finger auf ihrer hellen Haut, ehe sie aufschaute. Sie wollte ihm ihren Arm entziehen, doch Alessandro verstärkte seinen Griff.
    Die Hitze, die von seiner Hand ausstrahlte, strömte ihren Arm entlang hinauf bis zu ihren Brüsten. Verdammt, sie wollte diese Gefühle nicht. Nicht jetzt. Sie war wütend. Fuchsteufelswild. Nat holte tief Luft.
    Sie standen einander im Korridor gegenüber, und plötzlich war es, als stünde die Zeit still und sie wären die einzigen Menschen auf der Erde.
    Nat begriff nicht, wie es sein konnte, dass man jemanden schütteln und zugleich am liebsten abknutschen wollte.
    „Mir geht’s gut“, stieß sie gedämpft hervor.
    Alessandro sah die roten Flecken auf ihren Wangen und den verlockend halb geöffneten Mund. Mühsam riss er seinen Blick davon los. „Das glaube ich Ihnen nicht. Ich weiß, wie schwierig solche Fälle sein können.“
    Nat schnaubte entrüstet. „Sie glauben, hier geht es um Ernie?“ Fassungslos starrte sie ihn an. Wie konnte sie jemanden begehren, der so unglaublich begriffsstutzig war?
    „Nicht?“
    Wieder schnaubte sie. Jetzt konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. „Sagen Sie, wie kommt es, dass Sie einer völlig Fremden die Hand halten können, bei Ihrem eigenen Sohn aber nicht dazu imstande sind?“
    Alessandro erstarrte und zuckte mit seiner Hand von ihrem Arm zurück, als hätte sie den Ebola-Virus. Ein frostiger Ausdruck trat in seine schwarzen Augen, und unter seiner Sonnenbräune wurde er blass.
    „Na, haben Sie nichts dazu zu sagen?“, höhnte sie.
    „Oh, ich denke, Sie haben schon genug gesagt.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte über den Korridor davon.
    Nat atmete tief durch. Ihr ganzer Körper vibrierte vor Wut. Vermutlich hätte sie sich zerknirscht fühlen sollen, aber das gelang ihr nicht. Wenn der Kerl in seinem Beruf eine solche Anteilnahme zeigen konnte, dann musste er doch wohl in der Lage sein, das auch zu Hause zu tun.
    Wenn sie Julian vor der emotionalen Wüste bewahren konnte, die sie selbst erlebt hatte, indem sie sich ihre ganze Kindheit hindurch vergeblich bemüht hatte, ihrem Vater zu gefallen, dann würde sie das tun.
    Oh nein. Sie hatte noch längst nicht genug gesagt. Bei Weitem nicht.

2. KAPITEL
    Zwei Wochen später steckte Brisbane mitten in einer erbarmungslosen Hitzewelle. Das Stromnetz konnte Ventilatoren-

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