Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Katzenhimmel. Unten zeigte Julian Nat den Weg zur Küche, wobei sie sich innerlich dagegen wappnete, Alessandro wieder gegenüberzutreten.
Er saß an seinem Laptop am Esstisch, der durch einen Bogen rechts von der hochelegant in Weiß und Edelstahl gehaltenen Küche getrennt war.
Alessandro schaute von den neuesten Gesundheitswarnungen der australischen Regierung im Internet auf, die die Ausbreitung eines tödlichen Tropenfiebers betrafen. Über internationale Flüge konnte es Australien womöglich schnell erreichen. Falls er solche Fälle demnächst in der Notaufnahme behandeln musste, wollte er darauf vorbereitet sein.
Julian strahlte, und Nats Wangen wirkten frisch und rosig.
„Ich nehme an, Sie haben sich inzwischen häuslich eingerichtet?“, meinte Alessandro.
Sie nickte, hielt ihren Blick jedoch geflissentlich auf seine breiten Schultern gerichtet. „Ja, danke. Morgen werden Julian und ich uns sein Zimmer vornehmen.“
„Wie Sie wollen. Ich werde seine Kartons heraussuchen und sie morgen früh hochbringen.“
„Vielen Dank.“
Sein intensiver Blick bohrte sich in ihre Augen, und Nat stockte plötzlich der Atem. Eine Haarlocke hing ihm in die Stirn, und es juckte ihr in den Fingern, sie wieder zurückzustreichen.
Entschlossen schaute sie weg und suchte nervös nach einer Ablenkung. Der stählerne Kühlschrank stand gleich neben ihr, sodass sie erleichtert dessen Tür öffnete. „Ich wollte für Julian und mich was zu essen machen, bevor er sich zu seinem Mittagsschlaf hinlegt.“
Einen Moment lang starrte sie in den Kühlschrank, ohne wirklich etwas zu erkennen. Denn es dauerte ein paar Sekunden, bis sich ihr Pulsschlag wieder beruhigte. „Möchten Sie auch was?“, flötete sie.
„Ich fürchte, da drin werden Sie nicht viel finden“, gab Alessandro zurück. „Ich muss dringend einkaufen gehen.“
Verblüfft betrachtete Nat den leeren Kühlschrank. Das war ja wohl die Untertreibung des Jahres! Sie drehte sich um. „Wovon ernährt ihr Jungs euch überhaupt?“
Alessandro zuckte die Achseln. Er hasste es einzukaufen. Darum hatte Camilla sich immer gekümmert. Nichts lief mehr richtig, seit sie nicht mehr da war. „Normalerweise besorge ich etwa jeden zweiten Tag nach der Arbeit ein paar Kleinigkeiten.“
Missbilligend presste Nat den Mund zusammen. „Hmm.“ Sie schloss den Kühlschrank und warf einen Blick in die Speisekammer, die ebenso gähnend leer war. Offenbar lebten die beiden nur von Tag zu Tag. Wusste Alessandro denn nicht, dass Kinder das Gefühl brauchten, umsorgt zu sein? Vor allem, wenn ihre Welt gerade aus den Fugen geraten war?
„Sieht so aus, als würden wir nachher einkaufen gehen“, sagte sie zu Julian.
Er strahlte. „Darf ich im Einkaufswagen fahren? Mummy hat das immer mit mir gemacht.“
Alessandro wurde sichtlich blass, und sein Gesicht verdüsterte sich. Wahrscheinlich nahm er immer nur einen Korb für seine wenigen Einkäufe, was einem Vierjährigen sicher ziemlich langweilig vorkam.
„Ja, klar darfst du im Wagen sitzen. Vielleicht hat dein Papa ja auch Lust, mitzukommen?“
Sofort wirkten beide, Vater und Sohn, äußerst angespannt. Hoffnungsvoll sah Julian zu Nat, ehe er wegschaute. Dabei streichelte er weiterhin Flos Köpfchen, und Nat hätte ihn am liebsten in die Arme genommen.
Niedergeschlagen merkte Alessandro, wie sein Sohn verstummte und seine schmalen Schultern sich versteiften. Er hatte gehofft, wenn er ihn nicht drängte und ihm genügend Raum gab, dass Julian sich eines Tages ihm zuwenden würde. Doch als er das Wort „Mummy“ hörte, traf es Alessandro wie ein Schlag in die Magengrube. Vielleicht würde sein Sohn ihn niemals an sich heranlassen. Vielleicht gab er ihm ja auch die Schuld an Camillas Tod.
„Ich muss noch diese Fachartikel durcharbeiten“, erklärte Alessandro daher und wandte sich wieder seinem Laptop zu.
Nat blickte von einem gebeugten Kopf zum andern. Beide einander so ähnlich und doch so weit voneinander entfernt. Diese zwei brauchten Hilfe, und offenbar hatte das Universum beschlossen, dass Nat dafür zuständig war. Sie wollte, dass Julian eine Bindung zu seinem Vater entwickelte. Der Kleine sollte nicht mit dem Gefühl aufwachsen, nicht gut genug zu sein, so wie sie es erlebt hatte.
Aber keiner von ihnen würde es ihr leicht machen, dessen war sie sich bewusst. Da stand ihr noch einiges an Arbeit bevor.
Gegen fünf folgte Alessandro seiner Nase in die Küche, wo fröhliches Treiben herrschte. Der Duft nach
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