Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
zur Kaffeekanne, um sich noch einen Kaffee zu holen. An den Küchenschrank gelehnt, wandte sie sich zu Alessandro um. Froh, etwas Abstand von seinem nackten Oberkörper zu haben. „Manchmal muss man sich ein bisschen aufdrängen. Er ist doch erst vier. Fangen Sie an, etwas mit ihm zu unternehmen. Das Auspacken wäre eine perfekte Gelegenheit.“
„Und was ist, wenn es das Gegenteil bewirkt? Wenn er mit dem, was in den Kartons ist, nicht umgehen kann? Was ist, wenn es Dinge aufrührt, die er gerade erst überwunden hat?“
Ein gequälter Ausdruck lag in seinen dunklen Augen, und plötzlich begriff Nat. „Ah, jetzt verstehe ich, worum es wirklich geht.“
„Ach ja?“
„Könnte es sein, dass Sie Probleme mit dem Inhalt dieser Kartons haben? Es sind Erinnerungen an Ihre Frau und das Leben mit ihr. Aber es sind auch Julians Erinnerungen, Alessandro. Er ist ans andere Ende der Welt verfrachtet worden, weit weg von allem, was er bisher kannte. Sogar seine Beziehung zu Ihnen hat sich verändert. Er braucht vertraute Dinge um sich. Nicht nur in seinem Zimmer, sondern überall. Und er muss das Gefühl haben, dass dies sein Zuhause ist und nicht bloß eine vorübergehende Unterkunft.“
Nach einer kurzen Pause fuhr Nat fort: „Sie wollten meine Hilfe. Sie wollten, dass er wieder lacht und glücklich ist. Dazu müssen Sie sich mit einbringen. Es wird Sie vielleicht überraschen, womit er alles umgehen kann.“
Alessandro war verblüfft. Vielleicht hatte sie recht, und hier ging es mehr um seine eigenen Schuldgefühle als um Julian.
Er stand auf. „Okay, das klingt plausibel.“
Mit dem Kaffeebecher in der Hand ging er zur Spüle, und Nats Blick wurde unwiderstehlich von seinem muskulösen Oberkörper angezogen. Während Alessandro den Becher ausleerte, folgte Nat seinen Bewegungen. Bewundernd betrachtete sie das Muskelspiel unter der sonnengebräunten, glatten Haut. Er setzte den Becher ab, und erst, als er sich zu ihr umdrehte, wurde Nat bewusst, dass er etwas sagte.
Widerstrebend riss sie ihren Blick von dem Streifen feiner Härchen los, der von seinem Bauchnabel aus nach unten hin immer schmaler wurde. „Wie bitte?“
Alessandro spürte, wie ein fast übermächtiges Verlangen ihn durchzuckte. Genau dort, wo Nat hingeschaut hatte, empfand er es so, als hätte sie die Zunge über seinen Nabel gleiten lassen. Einen Moment lang starrten sie einander nur an.
„Ich sagte: Wann wollen Sie anfangen?“
Also wirklich, ermahnte sie sich. Sie tat ja so, als wäre er der erste Mann in ihrem Leben. Allerdings musste sie zugeben, dass sie bei Robs Anblick nie eine so heftige Begierde empfunden hatte. Nicht mal zu Anfang.
„In ein paar Minuten.“ Sie ging zur Tür, denn sie musste unbedingt weg von ihm. „Und ziehen Sie sich verdammt noch mal ein Hemd an!“, fuhr sie ihn verärgert an.
Sie rauschte hinaus, und er starrte ihr nach, froh, dass sie und ihre verflixten Schleifen endlich verschwunden waren. Was seiner Erektion jedoch keinen Abbruch tat.
Eine Viertelstunde später hockten alle drei in Julians kahlem Zimmer vor einem der beiden Kartons, auf denen „Kind“ stand. Alessandro holte tief Luft, ehe er mit einem Teppichmesser das Paketband durchschnitt.
Dann öffnete er den Karton, und ganz oben drauf lag Julians altes Plüschkaninchen.
„George!“ Julian packte das abgeschabte Plüschtier und drückte es entzückt an sich. „Ich hab dich vermisst, George!“
Alessandro fühlte sich absolut mies. Julian hätte George schon vor Wochen haben können. Alessandro hatte nicht einmal bemerkt, dass das Plüschkaninchen nicht da war, bis Nat ihn im Hort darauf angesprochen hatte. Was für ein schlechter Vater war er bloß?
Nat, die ihm aufmunternd zunickte, meinte lächelnd: „Und was haben wir sonst noch so da drin?“
Das Kaninchen an sich gepresst, schaute Julian erwartungsvoll in den Karton. Sie holten Kleidung, Spielzeug und Bücher heraus. Außerdem noch einige bunte Wandteppiche und ein wunderbares Mobile mit Sternen und Monden. Diese waren aus farbigem Glas, das ein Kaleidoskop an Farben bildete, sobald sich die einzelnen Teile drehten.
„Das ist ja wunderschön“, sagte Nat bewundernd, als Alessandro es aus der Kiste nahm.
„Nonna hat es mir geschenkt.“ Mit dem ausgestreckten Zeigefinger tippte Julian einen Stern an.
Alessandro lächelte ihm zu. „Das stimmt.“ Seine Mutter hatte es nach einem Besuch in Venedig von Murano mitgebracht. Als Baby hatte Julian oft stundenlang in seinem
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