Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
entschuldigen.“
Als er gegangen war, meinte Ron mit einem Zwinkern: „Er ist wohl ein alter Griesgram, was?“
Nat lächelte schwach. „Ich glaube, er ist bloß ein bisschen zerstreut.“
Sie überprüfte seine Werte und plauderte noch ein bisschen mit ihm über seine Zeit als Lehrer. Danach entschuldigte sie sich ebenfalls, um Ellie für ihre bevorstehende Blinddarm-OP vorzubereiten.
Um ein OP-Hemd und eine Kappe für sie zu holen, ging Nat zu der kleinen Wäschekammer im Korridor. Alessandro kam ihr mit weit ausgreifenden Schritten entgegen. Seine Miene war finster. Als sie auf gleicher Höhe waren, fragt Nat: „Alles okay mit dir?“
Von wegen. Gar nichts war okay. Er fühlte sich aufs Äußerste gereizt und angespannt. Rasch blickte er sich um. Da niemand in der Nähe war, packte er Nat am Arm, zerrte sie mit in die Wäschekammer hinein und machte die Tür hinter sich zu.
Nat befreite sich und starrte ihn böse an. Der Raum war eng und die Luft schwer und stickig.
„Du flirtest also gerne mit anderen Männern?“, stieß Alessandro rau hervor.
Verblüfft sah sie ihn an. Sein Akzent war sehr viel ausgeprägter als sonst, und sein Blick wirkte eisig.
„Der Mann ist zweiundsiebzig, Alessandro!“, fuhr Nat ihn aufgebracht an. Sie konnte es nicht fassen, dass sie ein solches Gespräch mit ihm führen musste. „Er macht sich Sorgen, weil er Angst hat, dass der Krebs zurückgekommen ist. Und er braucht jemanden, der ihn als Mensch sieht, nicht als irgendeinen medizinischen Fall. Das Ganze ist doch völlig harmlos!“
Alessandro konnte durchaus nachvollziehen, was sie meinte. Bei jeder anderen Krankenschwester wäre er auch sofort damit einverstanden gewesen. Aber nicht bei ihr. Da war der Höhlenmensch in ihm erwacht. Sie gehörte ihm, und es war ihm egal, wie verrückt das sein mochte.
Die Hände auf ihren Schultern, drückte er sie gegen die Regale und nahm fordernd Besitz von ihrem Mund. Ihre Lippen trafen sich zu einem glühenden Kuss, und stöhnend pressten sie sich aneinander. Alessandros Leidenschaft ließ keinen Zweifel daran, wie sehr er Nat begehrte.
Doch so unvermittelt, wie er sie geküsst hatte, riss er sich wieder von ihr los. Sein keuchender Atem mischte sich mit ihrem, während sie in dem winzigen Raum nach Luft rangen.
„Du sollst mit niemandem flirten, Bella . Ich mag das nicht.“ Damit wandte er sich ab, stieß die Tür auf und ging.
Mit weichen Knien hielt Nat sich an dem Regalbord hinter ihr fest. Ihr war schwindelig. Eigentlich hätte sie über Alessandros Benehmen fuchsteufelswild sein müssen. Aber noch nie in ihrem Leben hatte sie einen so erotisch-hitzigen Kuss bekommen. Und sie konnte gar nicht anders, als einfach nur breit grinsend ins Leere zu schauen.
Als sie an diesem Nachmittag Julian vom Hort abholte, war Nat in Gedanken noch immer bei Alessandros leidenschaftlichem Kuss, und sie dachte sehnsüchtig an die kommende Nacht.
„Ich glaube, er wird krank“, meinte Trudy zu ihr. „Julian war in letzter Zeit so lebendig, aber heute ist er sehr still. Er hat kaum was gegessen, und er fühlt sich ein bisschen warm an. Ein paar unserer Kinder hier haben schon die Grippe.“
Sofort waren alle anderen Gedanken wie weggeblasen, und besorgt legte Nat dem Jungen die Hand auf die Stirn, die sich tatsächlich etwas warm anfühlte.
Sie hockte sich neben ihn. „Geht’s dir nicht gut, Julian?“
Er schüttelte den Kopf. „Mir tut alles weh.“ Seine sonst so fröhlich blitzenden Augen wirkten trüb, und seine Wangen waren gerötet.
„Tun dir auch die Ohren weh?“
„Nein.“
„Und der Hals? Tut es dir weh, wenn du was isst?“
Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein.“
Das klang wirklich nach Grippe. Hoffentlich handelte es sich nicht um das gefürchtete Sumpffieber, von dem ständig in den Nachrichten berichtet wurde.
„Komm, wir gehen nach Hause. Da gebe ich dir was gegen das Fieber. Und wenn Papa wiederkommt, kann er dich mal anschauen, ja?“, meinte Nat.
Julians Miene hellte sich ein wenig auf, und es war schön zu sehen, dass er sich auf seinen Vater freute.
Zu Hause setzte Nat den Kleinen aufs Sofa vor den Fernseher, zusammen mit Flo und der strikten Anweisung, sich nicht vom Fleck zu rühren.
Eine halbe Stunde später erschien Julian in der Küche, gefolgt von Flo. „Ich hab Hunger.“
Fragend sah Nat ihn an. „Fühlst du dich wieder besser?“
Er lachte. „Jep.“
Sie lächelte, war aber nicht ganz überzeugt. Wahrscheinlich lag das nur an den
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