Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
einschalten, als sein Blick auf die gerahmten Fotos auf dem Klavier fiel. Während er seinen Kaffee trank, betrachtete er sie gedankenverloren.
Ein Bild zeigte ein kleines Mädchen mit dunklen Zöpfen und breiter Zahnlücke, das an der Treppe des alten Hauses stand. Es hielt einen Hamster in den Händen und lächelte glücklich. Auf einem anderen Foto war eine schlanke, bildschöne Inderin zu sehen, jünger als Neena. Ihre Mutter? Ja, da war sie noch einmal, neben einem mittelgroßen Mann, der einen Turban trug. Die beiden lächelten sich verliebt an. Auf den nächsten Bildern war das Paar mit einem Baby zu sehen, dann mit einem Kleinkind. Schließlich ein Foto von Neena, stolz bei ihrer Universitätsabschlussfeier. Neben ihr ein Mann, der ebenfalls stolz in die Kamera lächelte – es war Ned, wenn auch viel jünger.
Mak studierte das Foto genauer und entdeckte Maisie, die damals noch nicht im Rollstuhl saß, sowie Lauren aus dem Krankenhaus mit den beiden älteren Sprechstundenhilfen aus der Praxis. Ihm wurde warm ums Herz. Neena mochte Waise sein, aber sie war nie allein gewesen, und immer hatte man sie geliebt, das bewiesen all die glücklichen Gesichter auf dem Bild.
Er griff nach den frühen Fotos von Neena, betrachtete sie nachdenklich und fragte sich, ob aus ihrem Baby wohl auch irgendwann ein kleines Mädchen mit Zöpfen und einer Zahnlücke werden würde.
Ein kleines Mädchen wäre schön, dachte er spontan. Doch dann riss er sich zusammen. Weder Neena noch ihr Kind gingen ihn etwas an – abgesehen von dem Einfluss, den dieses Baby auf seine Familie haben würde.
Die Familie, mit der Neena nichts zu tun haben wollte.
Er hörte, wie sie sich in der Küche mit Ned unterhielt.
„Ich hoffe, Sie können kochen“, erklang gleich darauf ihre melodische Stimme, und als er sich umdrehte, sah er sie mit einem Becher in der Hand ins Wohnzimmer kommen.
„Heißer Kakao“, fuhr sie fort, als sie seinen Blick bemerkte. „Nicht gerade mein Lieblingsgetränk, aber es ist besser als nichts. Und glauben Sie nicht, dass Sie jetzt meinen Koffeinkonsum kontrollieren müssen, solange Ned nicht hier ist. Ich weiß selbst sehr genau, dass ich ihn einschränken muss. Eine Tasse Kaffee am Tag, mehr gibt es nicht.“
„Ich kann kochen“, erklärte Mak und fragte sich, ob dieses Gespräch so etwas wie einen Waffenstillstand bedeutete. „Allerdings bezweifle ich, dass ich die richtige Mischung Babymilch für Albert mixen kann.“
Neena lächelte ihn an. „Das mache ich schon. Und Sie müssen nicht jeden Abend kochen, wir können auch im Krankenhaus oder im Café oder im Pub essen. Das Frühstück müssen Sie sich allein machen. Müsli, Joghurt und Toastbrot sind immer da.“
„Bei Ihnen gibt es also nicht jeden Morgen gebratene Eier und Schinken?“, neckte er.
Neena lachte auf. „Lieber nicht, es wäre schade um das Essen“, gab sie zu. „Maisie hat versucht, mir Kochen und Backen beizubringen, aber bei mir war alle Mühe vergebens. Mir ist ständig etwas angebrannt. Maisie gab es irgendwann auf, und von da an war immer genug Brot in der Gefriertruhe und in der Speisekammer haufenweise Dosen mit gebackenen Bohnen und Tütensuppen. Damit ich, wenn sie mal nicht da war, nicht verhungern würde, sagte sie immer.“
„Und wenn Sie eine Tochter bekommen, werden Sie dann Ned bitten, ihr das Kochen beizubringen?“
Neena antwortete nicht sofort. Doch dann lächelte sie wieder, und Mak sonnte sich in ihrem Lächeln. Bezaubernd, dachte er.
„Ihr oder ihm“, antwortete sie. „Warum sollen nur Mädchen kochen lernen? Ihre Mutter hat es Ihnen ja auch gezeigt.“
„Ja, obwohl sie eine sehr traditionsbewusste Griechin ist, hat sie doch darauf geachtet, dass alle ihre Kinder nicht nur kochen, sondern auch Wäsche waschen und bügeln können. Sie war stolz, als meine Schwester beschloss, Ingenieurin zu werden. Manchmal habe ich mich gefragt, ob meine Mutter nicht selbst gern die Chance zu einer beruflichen Karriere gehabt hätte.“
„Dafür ist es doch noch nicht zu spät, oder?“, fragte Neena.
Mak sah sie verblüfft an. „Nein, natürlich nicht“, sagte er dann und schenkte ihr ein breites Lächeln. Ihre einfache Frage hatte ihn auf eine Idee gebracht. Seit dem Tod seines Vaters hatte er sich schon oft den Kopf zerbrochen, was er tun könnte, damit seine Mutter ihren Lebensmut wiederfand. Jetzt hatte er die Lösung: „Anthropologie, dafür hat sie sich schon immer interessiert. Sie muss ja nicht ein
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