JULIA ARZTROMAN Band 26
herausfordern. Also blieb er unten an der Zufahrt stehen, stellte den Motor ab und rief seinen Anwalt an.
Dessen Sekretärin war am Apparat, und er bat sie, ihn anzurufen, sobald es etwas Neues gäbe.
„Ich rufe Sie auf einer anderen Leitung an“, versprach sie. „Während Simon mitbietet. So können Sie mit ihm in Kontakt bleiben und selbst entscheiden, wie weit Sie gehen wollen.“
Seine Anspannung wuchs. „Okay, vielen Dank. Sie erreichen mich jederzeit unter dieser Nummer.“
Draußen auf der Landspitze stand eine Frau. Der Wind presste ihr die Kleidung an den Leib, und ihr Haar flatterte hinter ihr und erinnerte Ben an die Galionsfiguren alter Segelschiffe. Mit dem einen Unterschied, dass diese Galionsfigur hochschwanger war. Lucy? Ja, es war Lucy. Lucy, die sich von dem Haus verabschiedete, das sie so sehr liebte.
Das Telefon klingelte, und Ben zuckte zusammen. Rasch drückte er auf den Knopf.
„Ben, hier ist Simon. Ich lass mein Handy an, sodass Sie zuhören und gleichzeitig mit mir reden können.“
„Großartig.“
War es gar nicht, sondern eher schrecklich. Ben hatte selbst an den schlimmsten Tagen in der Notaufnahme, wenn sie zahlreiche Opfer eines schweren Verkehrsunfalls versorgen mussten, nie eine solche Angst verspürt, dass etwas schiefgehen könnte.
Er hörte die Summen, hörte, wie sie seinem Maximum gefährlich nahe kamen. Mehr war eigentlich nicht drin, den Rest seines Geldes brauchte er für den Ausbau des Hauses.
„Ben?“
„Gehen Sie mit fünftausend rein.“ Kurz entschlossen zwackte er doch einen Teilbetrag vom Renovierungsbudget ab.
Der Preis stieg langsamer. Die Pausen zwischen den einzelnen Geboten wurden länger.
„Der andere Bieter hat nur fünfhundert zugelegt. Ich vermute, er stößt an seine Grenzen“, sagte Simon.
„Erhöhen Sie noch mal um fünftausend, auf einen Schlag.“ Sein Herz dröhnte ihm in den Ohren. „Vielleicht kriegen Sie ihn damit k. o.“
Ein unerträglich langes Schweigen folgte.
Dann die Stimme des Auktionators.
„Zum Ersten … zum Zweiten …“
Der Hammer sauste aufs Pult. Aber für wen?
„Meinen Glückwunsch“, sagte Simon. „Das Haus gehört Ihnen.“
Ben hätte laut jubeln können, doch er bedankte sich und beendete das Gespräch. Wegen der Einzelheiten würde er später noch einmal mit seinem Anwalt telefonieren. Jetzt musste er sich um die Frau an der Landspitze kümmern.
Er fuhr zum Haus hinauf und passierte das Tor. Lucys Wagen stand vor der Haustür, und Ben parkte seinen so, dass er die Ausfahrt blockierte. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass er Lucy irgendwie verpassen sollte.
Aber sie hatte sich nicht vom Fleck gerührt und blickte noch immer hinaus auf das schaumgekrönte Meer.
Ben marschierte den Pfad außen am Garten entlang, überquerte das Feld und hatte sie schnell erreicht.
„Lucy?“
Langsam drehte sie sich um. Ben sah die Tränenspuren auf ihrem Gesicht, salzige Tropfen, die der Wind getrocknet hatte.
„Es ist weg“, flüsterte sie tonlos. „Das Haus ist weg. Die Auktion war um zwei.“
„Ich weiß.“
Fröstelnd schlang sie die Arme um sich.
Er stellte sich dicht vor sie, um sie vor dem schneidenden Wind zu schützen, und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Ich habe etwas für dich“, sagte er sanft. „Komm mit.“
Sie wandte sich vom Meer ab, und er legte den Arm um sie, während sie langsam über das Feld gingen.
Am Tor angelangt blieb Ben stehen und schwang Lucy auf die Arme.
„Was hast du vor?“Verblüfft sah sie ihn an.
„Ein alter Brauch“, erklärte er. „Eigentlich macht man es an der Haustür, aber ich habe keinen Schlüssel. Außerdem ist er sowieso verloren gegangen.“
„Was für ein Brauch?“
„Der Mann trägt seine Braut über die Schwelle.“ Ben holte tief Luft und schritt feierlich durchs Tor. „Willkommen in deinem neuen Zuhause, Lucy.“
Fassungslos starrte sie ihn an, und er konnte genau den Moment sehen, in dem Hoffnung in ihr aufkeimte. „Mein neues …“
„Ich habe das Haus gekauft … für dich“, erklärte er liebevoll.
Lucy brach in Tränen aus.
6. KAPITEL
Sie konnte es immer noch nicht glauben.
Ben hatte sie wieder heruntergelassen und blickte sie erwartungsvoll an.
„Oh, Ben.“ Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Lucy schlang die Arme um ihn und drückte ihn fest. Aber die Tränen liefen weiter, und bald brauchte sie ein Taschentuch. Sie löste sich von ihm, um in ihrer Tasche zu wühlen.
„Hier“, sagte er und reichte ihr
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