JULIA ARZTROMAN Band 26
Mr. Carter?“
Er lachte. „Wenn du mich so lieb bittest …“
Heiligabend.
Lucy wunderte sich, wo die Zeit geblieben war. Am letzten Samstag hatte sie zusammen mit Ben Weihnachtsgeschenke gekauft, sie hübsch verpackt und unter den glitzernd geschmückten Baum im Esszimmer gelegt.
Mit dem Geschenk für ihren Vater hatte sie sich schwergetan. Was sollte sie einem Mann schenken, der das Leben links liegen ließ? Auch nach der Hochzeit blieb er distanziert. Ihre Hoffnungen, sie könnten endlich wieder normal miteinander umgehen, zerstoben endgültig, als sie versuchte, ihn für den ersten Weihnachtstag einzuladen.
„Ich bin bei Kate“, sagte er. „Tut mir leid, ich habe schon zugesagt. Macht euch einen schönen Tag.“
„Kannst du nicht wenigstens zum Tee kommen? Bring doch Kate und Jem mit.“
Er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Lucy.“
Damit war das Thema erledigt. Sie hatte ihm eine edle Flasche Whiskey, einen Weihnachtskuchen und ein Töpfchen Stilton-Creme gekauft, alles in einen Präsentkorb gepackt und diesen unter ihren Schreibtisch gestellt. Im Laufe des Tages würde sich schon eine Gelegenheit finden, ihn zu überreichen. Langweilige Geschenke, mit denen man nichts falsch machen konnte. Lucy fragte sich, ob er enttäuscht sein würde. Nun ja, bestimmt nicht mehr, als er es von ihr ohnehin schon war.
Rasch schob sie die bohrenden Gedanken beiseite. Sie hatte keine Zeit zum Grübeln. Bis zehn war Sprechstunde, und danach standen zwei kleine Operationen auf ihrem Terminplan. Bei der ersten musste sie am Hals eines Patienten einen Grießknoten entfernen und bei der anderen eine Seborrhoische Keratose. Bei Letzterer war sie überzeugt, dass es sich nur um eine Alterswarze handelte. Aber um sicherzugehen, würde sie sie ins Labor schicken.
Lucy untersuchte die Stelle gerade noch einmal, als sie sah, wie Ben auf den Parkplatz fuhr.
Was macht er denn hier?
Verwundert konzentrierte sie sich wieder auf ihre Arbeit. Während sie ein lokales Betäubungsmittel spritzte, redete ihr Patient fast ununterbrochen, und sie gab nur gelegentlich einen kurzen Kommentar ab.
„Ach ja, ich soll Ihnen noch etwas von Mrs. Pearce ausrichten. Sie wissen doch, die Nachbarin von Mrs. Jones. Sie sagt, Edith geht es gut, und sie kann wohl in zwei Wochen entlassen werden.“
„Großartig. Ich werde sie besuchen, wenn ich das nächste Mal im St. Piran bin. So, fühlen Sie noch etwas?“
„Nein, alles taub.“
„Okay.“ Sie entfernte das dunkle Mal, kauterisierte die Wunde, strich eine antibiotische Salbe auf die Stelle und schützte sie mit einem Wundverband. „Halten Sie die Wunde trocken und tragen Sie zwei Mal täglich die Salbe auf. In ein paar Tagen können Sie das Pflaster weglassen, und in zwei, drei Wochen wird nur noch eine leichte Rötung übrig bleiben.“
„Und das da?“ Er deutete auf das Glasröhrchen.
„Das schicke ich ins Labor, um sicherzugehen, dass es wirklich nur eine Alterswarze war. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich bin überzeugt, es ist harmlos.“
„Danke, Doc.“ Ihr Patient zog sich an und verabschiedete sich.
Als sie aufstand, verspürte sie ein leichtes Ziehen im Unterleib. Wieder die Senkwehen, die sie seit einer halben Ewigkeit plagten? Zum Glück hatte sie gleich Feierabend und würde erst am Donnerstag wieder arbeiten müssen. Sie freute sich, dass Ben da war. Wahrscheinlich hatte er Sehnsucht nach ihr gehabt. Lucy lächelte verträumt vor sich hin. Sie konnte es auch kaum erwarten, ihn zu sehen.
Das Glasröhrchen in der Hand betrat sie den Flur. Da hörte sie Bens Stimme.
„Bitte, komm Weihnachten zu uns. Tu es für Lucy. Sie ist so enttäuscht, weil sie dich nicht sehen wird.“
„Das ist ihre Schuld, nicht meine. Glaub nicht, die Hochzeit hätte etwas geändert. Ich war da, weil ich Lucy nicht das Herz brechen wollte, und wegen Annabel. Das heißt aber nicht, dass ich meine Meinung geändert oder dir verziehen habe. Traute Abendessen und nette Familienzusammenkünfte kannst du vergessen, für mich ist jede Minute in deiner Nähe eine Minute zu viel. Du hast mir mein Elternhaus genommen, meine Tochter, meine Frau …“
„Nein!“, unterbrach Ben ihn scharf. Verzweifelt wich Lucy in ihr Zimmer zurück und sank gegen die Wand. Würde das denn nie aufhören? „Das Haus habe ich auf einer öffentlichen Auktion erworben. Und Lucy ist aus freien Stücken zu mir gekommen, weil sie mich liebt, und weil sie weiß, dass ich sie liebe. Und ich habe dir auch nicht
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