JULIA ARZTROMAN Band 26
Stimme strich wie zärtliche Finger über ihre Haut. Amy wurde warm, und sie verfluchte sich insgeheim. Warum konnte sie nicht gleichgültig bleiben?
„Komm besser zu mir rüber. Harry hat die Spielsachen entdeckt. Wir müssen es für ihn nicht kompliziert machen.“
Marco schnappte sich Stethoskop und Auriskop und folgte ihr aus dem Zimmer.
„Übrigens …“ Im Flur blieb er stehen. „Im Penhally Arms findet ein Silvesterball statt. Wir sind eingeladen.“
„Vielen Dank, aber ich bin nicht hier, um zu feiern. Geh ruhig hin. Ich bleibe zu Hause und erledige ein bisschen Papierkram.“
„Du musst mitkommen. Schließlich gehörst du jetzt zur Gemeinde.“
„In ein paar Wochen bin ich wieder weg.“
„Wenn du nicht auftauchst, glauben die Leute, wir hätten Angst, uns zusammen sehen zu lassen. Als Nächstes heißt es dann, dass es in unserer Praxis kriselt.“
Amy fühlte sich wie in der Mausefalle. „Ich kann nicht mit dir hingehen, Marco.“
„Warum denn nicht?“, fragte er erstaunt. „Wir sind Freunde, Kollegen. Was ist schon dabei, zusammen einen netten Abend zu verbringen? So, komm, wir sehen uns Harry an.“ Damit stieß er die Tür zu ihrem Zimmer auf.
Frustriert starrte sie auf seinen Rücken. Bekam der Mann immer seinen Willen?
Ursprünglich hatte sie nur eine Stunde in Penhally Bay bleiben wollen. Und was war daraus geworden? Sie arbeitete in seiner Praxis, wohnte in seinem Haus, und als Nächstes sollte sie mit ihm zum Silvesterball!
Amy beobachtete, wie er leise mit Sue sprach und dann neben Harry in die Hocke ging.
„Hi, Harry. Hattest du ein schönes Weihnachtsfest? Was hat dir der Weihnachtsmann gebracht?“
„Einen ganz tollen ferngesteuerten Wagen. Den müssen Sie sehen, Dr. Avanti, der ist echt super.“
„Hast du ihn dabei?“ Als der Junge den Kopf schüttelte, machte Marco ein enttäuschtes Gesicht. „Schade. Vielleicht bringst du ihn das nächste Mal mit.“ Er stellte erst Harry ein paar Fragen, dann seiner Mutter. „Ich möchte dich kurz untersuchen, Harry. Ziehst du bitte deinen Pullover und das Hemd aus und setzt dich auf die Liege hier?“
Sorgsam horchte er nach verdächtigen Geräuschen an Herz und Lungen und tastete den Bauch ab. „Wie lange gehst du schon zur Schule, Harry?“
„Oh …“ Er dachte nach. „Ungefähr mein ganzes Leben.“
„Er ist mit vier in die Vorschule gekommen.“ Lächelnd betrachtete Sue ihr Kind.
Marco prüfte den Pulsschlag der Oberschenkelarterie. „Und wer wohnt bei dir zu Hause?“
„Meine Mum.“ Harry überlegte. „Und abends ist mein Dad da.“
„Weil er den ganzen Tag arbeitet, Liebling“, warf Sue rasch ein.
Marco schmunzelte. „Hast du Geschwister, Harry?“
„Nur Beth. Die ist zwei. Sie sagt nicht viel, dafür beißt sie. Aber ich glaube, sonst geht’s ihr gut.“ Unsicher sah er seine Mutter an, und Sue drückte ihn liebevoll.
„Sie beißt nicht, weil sie dir wehtun will, mein Schatz. Das kommt, weil sie zahnt.“
„Und dein Lieblingsfach in der Schule?“ Marco nahm den Reflexhammer und rollte Harrys Hosenbein hoch.
„Bio.“ Der Junge kicherte, als sein Bein zuckte. „Brechen Sie mir das Bein?“
„Ganz bestimmt nicht.“ Marco checkte die Fußreflexe. „Ärzte brechen keine Beine, sie reparieren sie. Bist du gern in der Schule, Harry?“
„Ja, nur mittags nicht. Das Essen schmeckt eklig.“
„Wirklich? Was gibt es denn so?“
„Maden und Schnecken.“
Interessiert blickte Marco auf. „Roh oder gekocht?“
Amy musste heimlich lächeln. Kein Wunder, dass die Kinder ihn liebten.
Harry lachte. „Und Würmer. Sie sagen Spaghetti dazu, aber es sind echt Würmer.“
„In Italien, meiner Heimat, da …“ Marco reichte ihm sein Hemd. „… essen wir Unmengen Würmer. Du kannst dich jetzt anziehen.“
„Sie essen Würmer?“ Entgeistert starrte Harry ihn an. „Igitt.“
„Das kannst du wohl sagen. So, wir machen ein kleines Spiel. Setzt du dich mal auf?“
„Ein Spiel? Cool!“ Erwartungsvoll setzte er sich hin und ließ die Beine über die Kante der Liege baumeln. „Und jetzt?“
Marco stellte sich vor ihn. „Ich möchte, dass du meinen Finger berührst und dann deine Nase … sehr gut. Und nun mit der anderen Hand. Schneller. Oh, du bist gut!“
„Ist doch babyleicht.“
„Sieh mich mal an.“ Marco hielt seine Hand rechts neben den Kopf des Jungen. „Kannst du mir sagen, ob mein Finger still hält oder sich bewegt?“
„Er wackelt.“
„Und jetzt?“
„Nicht
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