Julia Arztroman Band 62
Nein, er würde seine Tochter niemals im Stich lassen. Jedoch würde eine enge Verbindung zu Lily automatisch eine engere Beziehung zu Gina bedeuten. Wenn er sichergehen wollte, dass er die beiden nicht enttäuschte, musste er mit seinen Verlustängsten irgendwie fertigwerden.
Er setzte sich wieder auf die Couch und fuhr mit fester Stimme fort: „Obwohl das, was ich dir eben erzählt habe, einen Einfluss auf mein Handeln damals hatte, müssen wir uns jetzt auf die Zukunft konzentrieren. Auf meinen Wunsch, an Lilys Leben teilzuhaben. Vielleicht fällt es dir schwer, das zu glauben, aber es ist die Wahrheit. Ab jetzt gilt meine ganze Sorge dem Wohl unserer Tochter.“
Gina wusste, dass er eine Antwort von ihr erwartete, und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Marco klang so gefasst, und darum beneidete sie ihn. Sie atmete tief durch und versuchte nicht daran zu denken, weswegen er ihre Beziehung beendet hatte …
Er muss wirklich etwas für dich empfunden haben, wenn er Angst hatte, die Beziehung weiterzuführen, wisperte eine kleine Stimme in ihrem Kopf.
Doch Gina wollte sich von diesem tröstenden Gedanken nicht ablenken lassen. Im Augenblick ging es um Lilys Zukunft, alles andere war unwichtig. „Ich hoffe, dass du es ernst meinst, Marco. Dass es nicht nur eine Reaktion auf … die Tatsache ist, dass du eine Tochter hast.“
„Eine Reaktion? Wie meinst du das?“
„Nun, zu erfahren, dass du Vater bist, war doch sicherlich ein Schock für dich. Und da ist es nur verständlich, dass du dich in der ersten Aufregung für Lily verantwortlich fühlst. Aber ich würde auch verstehen, wenn du es dir wieder anders überlegst.“
Marco starrte sie an. „Falls Lily meine Tochter ist, steht es für mich außer Frage, dass ich an ihrem Leben teilhaben möchte.“
„ Falls Lily deine Tochter ist? Bezweifelst du das etwa?“
Einerseits fühlte sich Gina durch sein Misstrauen beleidigt, andererseits überlegte sie, dass Marco vielleicht nicht so viel Wert darauf legen würde, sich aktiv an Lilys Leben zu beteiligen, wenn er an seiner Vaterschaft zweifelte.
„Nein, ich glaube dir“, versicherte Marco mit Überzeugung, und Gina wurde bewusst, dass sie genau auf diese Antwort gewartet hatte.
„Lily ist deine Tochter. Das ist absolut sicher.“
„ Bene. Jetzt müssen wir nur noch entscheiden, wann ich sie sehen kann. Nachdem ich schon so viel Zeit verloren habe, schlage ich vor, wir treffen uns am Wochenende. Du kannst mit Lily zu mir kommen, oder ich komme zu euch.“
„Dieses Wochenende schon? Nein, das ist viel zu früh.“
„Warum? Je eher wir uns kennenlernen, desto besser“, erklärte er unnachgiebig. „Für die Kleine wird es natürlich nicht einfach sein, zu verstehen, wer ich bin. Zumal du ihr sicherlich nie von mir erzählt hast, richtig?“
Gina nickte und fragte sich gleichzeitig, ob er ihr das schlechte Gewissen ansehen konnte. Sie hatte es sinnlos gefunden, Lily von ihrem Vater zu erzählen, da sie bis vor Kurzem geglaubt hatte, Marco ohnehin nie wiederzusehen. Es hätte die Kleine nur verunsichert. Doch inzwischen bereute sie es, Marco bewusst aus Lilys Leben ausgeschlossen zu haben.
„Das dachte ich mir.“ Marco nickte. „Nun, in diesem Fall halte ich es für klüger, sie nicht gleich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie soll sich erst einmal an mich gewöhnen, und wenn sie mich akzeptiert hat, werden wir ihr erklären, dass ich ihr Daddy bin.“
Das klingt vernünftig, dachte Gina. Eigentlich hatte sie erwartet, dass Marco, ohne Rücksicht auf Lily, sofort seine Vaterrechte einfordern würde, doch offenbar hatte sie ihn falsch eingeschätzt. Vielleicht nicht nur in dieser Hinsicht …
„Ja, ich glaube, da hast du recht“, sagte sie und zwang ihre Gedanken wieder zurück zum eigentlichen Thema. Marco mochte ja bestrebt sein, seine neue Rolle als Vater ernst zu nehmen. Doch das bedeutete nicht zwangsläufig, dass er seine alte Rolle in ihrem Leben wieder aufnehmen wollte. Ihre Affäre war Geschichte, das hatte er klar zum Ausdruck gebracht. Die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Tochter hatten, war das Einzige, was sie jetzt noch verband.
„Freut mich, dass du mir zustimmst.“ Jetzt lächelte er. „Ich denke, wenn wir uns Mühe geben, können wir das hinkriegen, oder?“
„Bestimmt“, meinte Gina betont beiläufig. Eigentlich sollte sie froh sein, dass sie eine so freundschaftliche Lösung gefunden hatten, und das war sie auch. Dennoch spürte sie gleichzeitig
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