Julia Arztroman Band 62
eine Traurigkeit in sich aufkeimen, weil Lily ihr einzige Verbindung sein sollte.
„Gut. Jetzt müssen wir nur noch eine Zeit und einen Ort verabreden, wo wir uns treffen. Was schlägst du vor?“, fuhr er ganz sachlich fort.
Wenn er auch nur einen Funken Bedauern darüber verspürt, dass unsere Affäre nun tatsächlich der Vergangenheit angehört, so zeigt er es nicht, dachte Gina und wunderte sich über ihre zwiespältigen Gefühle. Um ihre Verwirrung zu verbergen, zwang sie sich ebenfalls zu einem neutralen Tonfall. „Ich schlage vor, wir treffen uns im Park. Dort wird es Lily ganz natürlich vorkommen, einen Fremden kennenzulernen.“
Marco runzelte die Stirn, als sie ihn als Fremden bezeichnete, ging aber nicht weiter darauf ein. „Wenn du es für das Beste hältst, dann machen wir es so.“
Sie verabredeten sich für Samstagvormittag gegen elf Uhr im Hyde Park, dann stand Gina auf. „Ich muss Lily abholen. Normalerweise liegt sie um diese Zeit schon im Bett.“
„Wer passt heute Abend auf sie auf?“, fragte Marco und hielt ihr den Mantel hin.
„Amy“, antwortete Gina und beeilte sich, so schnell wie möglich in ihren Mantel zu schlüpfen. Es war vielleicht lächerlich, aber Marco so dicht hinter sich zu spüren, erregte sie. Sie schob ihre Hand in den linken Ärmel und fluchte leise, als ihre Armbanduhr sich im Futter verhedderte.
„Was ist denn?“
„Meine Uhr hängt an einem Faden im Futter fest“, sagte sie und zerrte an dem Ärmel.
„Vorsichtig. Du reißt ja alles kaputt.“ Er trat vor sie hin und hielt ihren Arm fest, um mit seiner Hand in den Ärmel zu schlüpfen. Plötzlich standen sie sich so dicht gegenüber, dass sie den Duft seiner Seife riechen konnte, die Hitze seines Körpers spürte, und diese Mischung brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Es war die reinste Folter, zu fühlen, wie seine Finger über ihre Haut strichen, und nicht darauf reagieren zu dürfen. Obwohl er bestimmt keine sexuelle Absicht verfolgte, durchfuhr Gina eine Welle des Verlangens, und jeder Nerv in ihrem Körper fieberte vor Erwartung …
„So, das hätten wir.“
Marco zog seine Hand aus ihrem Mantelärmel, und Gina blinzelte, als sie merkte, wie die Gefühle, die sie eben noch überschwemmt hatten, plötzlich verebbten. Sie wollte nicht mit ihm schlafen. Nein, das war das Letzte, was sie wollte!
„Danke.“ Sie floh förmlich zur Tür, griff nach der Klinke, doch Marco war schneller.
„Ich weiß, dass du es eilig hast, und ich will dich nicht aufhalten“, sagte er, während er die Tür für sie öffnete. „Aber ich möchte mich noch bedanken, dass du heute Abend gekommen bist und so entgegenkommend warst. Jetzt bin ich beruhigt.“
„Wie meinst du das?“
„Nun, ich hatte befürchtet, dass es uns angesichts unserer vergangenen Beziehung schwerfallen würde, zu einer Einigung zu kommen.“ Seine Stimme wurde leiser. „Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe, und das tut mir ehrlich leid. Hoffentlich verstehst du jetzt, warum ich mich von dir getrennt habe.“
„Weil du Angst hattest, wieder verletzt zu werden.“ Gina holte tief Luft. Sie wusste, dass diese Frage kindisch war, doch sie musste sie stellen. „Hätte das denn passieren können, Marco? War ich wirklich eine Bedrohung für dich?“
„Ja.“ Er küsste sie sanft auf die Wange. „Du hättest mein Leben damals auf den Kopf stellen können, und das wollte ich nicht riskieren. Ich will mich nie wieder verlieben, Gina. Das werde ich nicht zulassen. Aber ich wünsche mir, dass wir Freunde werden und gute Eltern für unsere Tochter.“
„J…ja, natürlich.“ Gina brachte ein Lächeln zustande, ehe sie sich umdrehte und zum Lift eilte. Sie erwiderte Marcos Abschiedsgruß nur vage und atmete erleichtert auf, als sich die Lifttüren hinter ihr schlossen.
Als sie das Gebäude verließ, war sie so in Gedanken, dass sie zunächst in die falsche Richtung lief und es erst an der nächsten Ecke bemerkte. Kopfschüttelnd kehrte sie um und verkniff sich einen Blick nach oben, als sie abermals an Marcos Apartmenthaus vorbeihastete. Wahrscheinlich beglückwünschte er sich gerade dafür, dass sie sich ohne jeden Streit geeinigt hatten. Er schien entschlossen, keine Gefühle zu investieren, jedenfalls nicht in sie.
Dieser Gedanke tat weh. Gut, er hatte zugegeben, dass er sich damals beinahe ernsthaft in sie verliebt hätte, aber stimmte das auch? Sie hatte ihn so geliebt, dass sie ihn niemals aufgegeben hätte, weder wegen schlechter
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