Julia Arztroman Band 62
Mrs Walters Zustand verschlechterte?“
„Ich weiß nicht … So etwas würde er doch nicht tun, oder?“ Gina sah ihn besorgt an. „Ich kann dir nur versichern, dass er zu mir kein Wort von einem CT-Scan gesagt hat.“
„Ich glaube dir, obwohl ich wünschte, jemand könnte deine Aussage bestätigen.“ Marco schüttelte frustriert den Kopf. „Dass seine Anordnung in der Akte vermerkt ist, könnte großes Gewicht haben, wenn es zu einer disziplinarischen Anhörung kommt.“
„Du meinst, das könnte passieren?“
Marco seufzte. „Wenn Mrs Walter nicht durchkommt, ja.“
„Das bedeutet, dass man mich zur Verantwortung ziehen wird, auch wenn ich schwöre, dass es nicht meine Schuld war.“
„Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt. Aber dir muss klar sein, dass du in einer sehr heiklen Situation bist, Gina.“
„Miles wird alles daransetzen, damit er ungeschoren davonkommt“, bemerkte sie bitter.
Das befürchtete Marco auch, sagte es aber nicht. Als Gina aufstand, um wieder an die Arbeit zu gehen, hielt er sie nicht zurück. Im Moment konnte man nur abwarten, wie sich der Zustand der Patientin entwickelte. Doch eines wusste Marco: Wenn es hart auf hart ginge, würde er auf Ginas Seite stehen, denn in so einer Sache würde sie nicht lügen. Das entsprach nicht ihrem Charakter.
Doch er wusste auch, dass er ihr keine große Hilfe sein könnte, falls es wirklich zu einer Untersuchung käme. Die Fakten sprachen eindeutig gegen sie. Ein unerträglicher Gedanke! Dass er nicht in der Lage war, sich zu seinen Gefühlen für sie zu bekennen, war eine Sache. Aber die Vorstellung, ihr könnte ein solches Unrecht geschehen, zerriss ihm schier das Herz.
Die nächsten vierundzwanzig Stunden waren für Gina der reinste Albtraum. Mrs Walter lag auf der Intensivstation, und ihre Prognose war denkbar schlecht. Miles hatte nichts Besseres zu tun, als jedem, der es hören wollte, seine Version der Geschichte aufzudrängen.
Als Mrs Walter zwei Tage später starb und ihre Familie eine gerichtliche Untersuchung forderte, wurde Gina klar, dass sie in großen Schwierigkeiten steckte. Unter Umständen könnte sie sogar ihren Job verlieren. Wie sollte sie Lily und sich selbst durchbringen, wenn es wirklich so weit käme?
Die Sorge um ihre Zukunft ließ Gina kaum eine Nacht mehr durchschlafen, und entsprechend gerädert wachte sie morgens auf. Dazu kam, dass bei Lily die Windpocken jetzt erst so richtig aufblühten und sie entsprechend quengelig war. Doch als Marco ihr anbot, sich um Lily zu kümmern, damit sie sich etwas ausruhen könnte, lehnte Gina ab. Lily war ihre Tochter, und es war ihre Aufgabe, sie zu versorgen.
Marco hatte sich noch nie so machtlos gefühlt. Er wusste, dass Gina die momentane Situation über den Kopf wuchs, daher schmerzte es ihn umso mehr, dass sie seine Hilfe so kategorisch ablehnte. Sie traute ihm wohl immer noch nicht. Aber irgendwie musste er sie doch überzeugen können, dass er seine Vaterrolle sehr ernst nahm.
Schließlich gelang es ihm, Gina zu einem gemeinsamen Nachmittag mit Lily zu überreden. Da es regnete, trafen sie sich diesmal in einem überdachten Freizeitpark in Camden. Marco war schon dort, als Gina ankam. Sie trug enge Jeans und ein hellblaues T-Shirt und sah einfach wunderschön aus.
Aber daran durfte er jetzt nicht denken. Er musste einen klaren Kopf bewahren, wenn er mit seinem Vorhaben Erfolg haben wollte. „Buon giorno“ , begrüßte er die beiden, hob Lily aus ihrem Buggy und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Buon giorno “ , piepste Lily.
„Was für ein kluges Mädchen du bist!“ Er umarmte sie und sah ihr nach, wie sie zum Ballspielplatz flitzte. Dann drehte er sich zu Gina um und setzte eine ausdruckslose Mine auf, damit sie nicht merkte, wie aufgeregt er war. „Sie fängt an, Italienisch zu sprechen.“
„Ja, Kinder lernen in diesem Alter schnell“, erwiderte Gina und nahm ihre Tasche aus dem Buggy.
„So sagt man, aber ich erlebe das zum ersten Mal.“ Sie setzten sich an einen Tisch. „Noch ein Plus, Vater zu sein.“
„Um das Minus auszugleichen, meinst du?“
„Nein, das habe ich nicht gemeint“, versetzte Marco ärgerlich. „Warum musst du meine Worte immer so negativ auffassen? Warum kannst du nicht akzeptieren, dass ich mich freue, Vater zu sein?“
„Weil ich nicht sicher sein kann, wie lange deine Freude anhält. Am Anfang mag das alles ja für dich recht aufregend sein, aber ein guter Vater zu sein bedeutet, eine
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