Julia Arztroman Band 62
jedenfalls, dass es mir leid tat, von Ians tödlichem Unfall zu hören, und außerdem …“
Er wurde von Toby unterbrochen, der ihn am Ärmel zupfte. „Darf ich auf die Rutsche, Onkel Nathan?“
„Ja, lauf schon mal vor. Ich komme gleich nach.“ Auf Libbys erstaunten Blick hin erklärte er: „Ich bin dabei, Toby zu adoptieren. Seine Eltern sind beide tot. Sie sind bei einem Fährunglück im Mittelmeer ums Leben gekommen. Zum Glück wurde Toby gerettet. Sein Vater war mein bester Freund, und ich bin der Patenonkel des Jungen. Nach dem Unglück bin ich hingefahren, um ihn nach Hause zu bringen, und habe gleich die Adoption beantragt, weil es keine anderen Verwandten gibt, die Anspruch auf ihn erheben. Der Antrag läuft, und bald wird Toby auch offiziell zu mir gehören.“
„Wie kommst du damit zurecht?“, erkundigte sich Libby. Ihr Schmerz, dass Nathan eine eigene Familie hatte, begann nachzulassen.
„Am Anfang war es schwer, denn obwohl er mich kannte, wollte er natürlich seine Mummy und seinen Daddy. Langsam gewöhnt er sich an die Situation, aber er lässt mich nie aus den Augen.“
Armer Kleiner und armer Patenonkel, dachte sie. Und dennoch, wie sollte sie es bloß schaffen, direkt neben Nathan zu wohnen, wo ihr doch seine Worte von damals noch so kristallklar im Gedächtnis waren?
Fragend sah er sie an, und um seiner eindringlichen Musterung zu entgehen, fragte Libby rasch: „Wie alt ist Toby?“
„Gerade fünf geworden. Das Fährunglück ereignete sich vor drei Monaten. Wahrscheinlich hast du in der Presse davon gelesen oder einen Fernsehbericht darüber gesehen.“
Sie nickte. „Willst du ihn hier in der Dorfschule anmelden?“
„Das habe ich schon getan. Allerdings weiß ich nicht, wie er auf diese neue Veränderung in seinem Leben reagieren wird“, erwiderte Nathan. „Ich muss bei ihm vorsichtig sein. Er regt sich schnell auf, was natürlich verständlich ist.“
Unwillkürlich stiegen Libby Tränen in die Augen. Es war alles so traurig. Gerade weil Nathan eine solche Verantwortung auf sich genommen hatte und offenbar wegen des Kindes nach Swallowbrook zurückgekehrt war.
Als sie gemeinsam hinübergingen, um Toby unten an der Rutsche in Empfang zu nehmen, lächelte Nathan. Und Libby wunderte sich, denn nach dem, was er ihr gerade erzählt hatte, schien sein Leben momentan nicht gerade einfach zu sein.
2. KAPITEL
Libby hatte eine Menge zu verarbeiten. Erst gestern war sie von einem erholsamen Urlaub mit Melissa in Spanien zurückgekommen. Heute stand sie hier im Park, zusammen mit Nathan und einem Kind, das er adoptieren wollte. Trotz ihres Mitgefühls empfand sie große Erleichterung darüber, dass er keine fertige Familie aus Afrika mitgebracht hatte.
Sie bückte sich nach ihrer Einkaufstasche, doch da meinte Nathan: „Die nehme ich.“ Und zu Toby, der gerade zum x-ten Mal die Rutsche herunterkam, sagte er: „Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, Kleiner.“
Dann kehrten sie schweigend zu ihrem Haus zurück. Kurz bevor sie sich trennten, fragte Libby: „Hast du deinen Vater schon besucht?“
Nathan nickte. „Wir waren gestern kurz bei ihm, in einer Pause zwischen den verschiedenen Möbel- und Hausratlieferungen. Wo warst du eigentlich gestern?“
„Ich habe mit einer Freundin zwei Wochen Urlaub in Spanien gemacht“, antwortete sie. „Und werde am Montag frisch und erholt in die Praxis kommen.“
„Ach ja“, sagte er. „Dad hat mir erzählt, dass er dir die Praxis übergeben will.“
„Ja, ich freue mich über sein Vertrauen. Ich glaube, ich liebe die Praxis genauso wie er. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie nach seinem Eintritt in den Ruhestand geschlossen würde.“ Sie nahm den Hausschlüssel aus ihrer Tasche.
„Das heißt, ihr habt einen Arzt weniger, wenn Dad jetzt weg ist“, erklärte Nathan.
„Das stimmt. John und ich haben mit zwei möglichen Kandidaten Vorstellungsgespräche geführt, aber er war merkwürdig zögerlich, und jetzt begreife ich auch, warum. Er hat darauf gewartet, dass du nach Hause kommst.“
„Kann schon sein“, antwortete Nathan. „Aber Dad hat jetzt erst von Toby erfahren und gemerkt, dass es nicht funktionieren würde. Ich muss den Jungen morgens zur Schule bringen und nachmittags wieder abholen.“
„Also Teilzeit?“
„Ja, es sei denn, ich stelle eine Nanny ein. Aber der Junge hat schon genug Veränderungen hinter sich, als dass ich ihn auch noch einer Fremden überlassen würde.“
Libby sah ihn an. „Dein Vater
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